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Die Grünen haben nach der letzten Bundestagswahl einen gründlichen Aufarbeitungsprozess begonnen.

© dpa/Peter Endig

Die Grünen und ihre Geschichte: "Wir bleiben weiter ansprechbar"

Zur Aufarbeitung ihrer Parteigeschichte richteten die Grünen vor zwei Jahren einen Anhörungsbeirat ein. Der letzte noch anhängige Fall wurde nun entschieden.

Zur Aufarbeitung ihrer Parteigeschichte haben die Grünen vor zwei Jahren einen Anhörungsbeirat eingerichtet, an den sich Betroffene wenden können, die in einem grünen Umfeld zu Opfern sexuellen Kindesmissbrauchs geworden sind. Im derzeit einzigen noch anhängigen Fall entschied der Parteivorstand nun nach Informationen des Tagesspiegels, keine Anerkennungszahlung zu leisten. Das „zweifelsfrei erfahrende Leid“ der betroffenen Person stehe „nicht im Kontext der Partei Bündnis 90/Die Grünen und deren direkten Vorgängerorganisationen“, begründet der Beirat seine Empfehlung. Eine „institutionelle Verantwortung“ der Partei für pädosexuelle Taten sei nicht gegeben. Eine entscheidende Rolle bei dieser Entscheidung spielte die Tatsache, dass die betroffene Person zum Zeitpunkt der Parteigründung, selbst bei der Gründung grüner Vorläuferorganisationen wie der "Bunten Listen", bereits volljährig war." In einem Beschluss des Bundesvorstands heißt es: „Das Leid, das die betroffene Person erfahren hat, erkennen wir an und drücken der betroffenen Person unser tiefes Mitgefühl aus.“

Im Wahljahr 2013 waren die Grünen unter Druck geraten, weil die Partei in ihren Gründungsjahren offen für den Einfluss von Strömungen gewesen war, die eine Straffreiheit pädosexueller Handlungen forderten. Erst Ende der 80er Jahre hatten die Grünen programmatisch einen klaren Schlussstrich unter dieses Kapitel gezogen. Nach der Bundestagswahl startete die Partei einen umfangreichen Aufarbeitungsprozess. Dazu gehörte auch, dass eine telefonische Anlaufstelle für Betroffene sexuellen Kindesmissbrauchs eingerichtet wurde. Der Anhörungsbeirat soll außerdem in konkreten Einzelfällen Vorschläge machen, ob und wie die Grünen als Partei Verantwortung übernehmen sollen. Ihm gehören die Berliner Rechtsanwältin Christina Clemm, die frühere schleswig-holsteinische Justizministerin Anne Lütkes und der ehemalige Berliner Justizsenator Wolfgang Wieland an.

Nach einer „sehr ausführlichen“ Prüfung kam der Beirat nun zum Schluss, im letzten vorliegenden Fall keine Zahlung zu gewähren. Bisher haben sich zwölf Betroffene sexuellen Kindesmissbrauchs an die grünen Anlaufstellen gewandt. In drei Fällen wurde den Betroffenen auf Empfehlung des Anhörungsbeirats eine Zahlung in Anerkennung des erfahrenen Leides gewährt. Dabei war es um langjährigen Missbrauch Anfang der 80er Jahre in der christlichen Emmaus-Gemeinde auf dem Dachsberg in Kamp-Lintfort gegangen. Hier sei „eine institutionelle Mitverantwortung“ der Partei nicht auszuschließen gewesen, hieß es. In sechs Fällen hatten die Übergriffe in der eigenen Familie stattgefunden oder in Einrichtungen, bei denen kein direkter Zusammenhang zur Partei ersichtlich war. In zwei weiteren Fällen blieb es bei einem anonymen Erstkontakt, so dass der Sachverhalt nicht weiter geprüft werden konnte.

Für Parteichefin Simone Peter ist die Aufarbeitung der Parteigeschichte mit dem aktuellen Beschluss noch nicht abgeschlossen. „Wir wissen, dass es manchmal sehr lange dauern kann, bis jemand bereit ist, über das erfahrene Leid zu sprechen“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Wir bleiben weiter ansprechbar für mögliche Betroffene, sei es per Mail, über die telefonische Anlaufstelle oder den Anhörungsbeirat.

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