zum Hauptinhalt

Politik: Die Gunst der Stunde

Die Kurden im Irak dringen auf eine föderalistische Verfassung

Nur wenige Stunden nach den beiden Selbstmordanschlägen in der kurdischen Stadt Erbil im Nordirak hat Kurdenführer Massud Barsani seine Forderung nach einem föderalen System im Irak bekräftigt. Damit stellte Barsani, der der Kurdenpartei KDP vorsteht, einen Zusammenhang zwischen den politischen Forderungen der Kurden und den Anschlägen her, bei denen am Sonntag mindestens 56 Menschen getötet wurden. Die Anschläge galten den Büros von KDP und der Kurdenorganisation von Jalal Talabani, der PUK. Kurdische Politiker machten am Montag islamistische Terroristen für die Anschläge verantwortlich. Beobachter gehen indes davon aus, dass die Anschläge auch eine Reaktion auf die politischen Forderungen der Kurden im Nordirak sind, die bereits in der vorläufigen Verfassung im Frühjahr weitgehende Autonomierechte für die Kurdenregionen festschreiben wollen.

Die kurdische Bevölkerung in den nördlichen Provinzen des Irak verfügte seit 1991 dank der alliierten Flugverbotszonen über eine weit reichende politische Autonomie und eigene Einkünfte aus dem Programm „Öl für Lebensmittel“; sie bekamen 13 Prozent der irakischen Einnahmen aus Ölverkäufen direkt zugeteilt. Die Kurden hoffen, eine solche Autonomie auch in einem neuen föderalen System zu erhalten. Sie fühlen sich gestützt von den USA, die bei der Ankündigung der Wahl- und Übergangspläne am 15. November erklärt hatten, man wolle angesichts der kurzen Zeit den Status quo nicht grundlegend verändern. Auch macht die kurdische Minderheit massiven Druck, weil sie hofft, unter amerikanischer Herrschaft ihre Forderungen durchzubringen, bevor die Regierungsgeschäfte an eine irakische Regierung übergeben sind und Wahlen organisiert werden.

Die Kurden hatten an der Seite der Amerikaner bei deren Einmarsch in den Irak gekämpft. Heute entlasten sie die US-Truppen, weil sie selbst für relative Sicherheit im Nordirak sorgen. Auch im provisorischen irakischen Regierungsrat ist man dem föderalen System gegenüber aufgeschlossen, will den Kurden aber weniger Rechte für eigene Sicherheit und Einkünfte aus Erdöl zugestehen. Arabische Bevölkerungsgruppen fürchten aber ein Zerbrechen des Staates, wenn er entlang ethnischer Grenzen aufgeteilt wird. Der größte Zankapfel ist die Stadt Kirkuk, in deren Umgebung große Ölfelder liegen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false