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Politik: Die Hälfte des Puzzles

UN-Sicherheitsrat berät über Mehlis-Bericht – viele Fragen nach wie vor offen

Baschar al Assad in Damaskus dürfte vorerst aufatmen. Der neue Bericht der UN- Untersuchungskommission zum Mord am libanesischen Ex-Präsidenten Rafik Hariri nennt keine Namen und fordert keine Haftbefehle gegen Syrer. Damit muss sich der syrische Präsident nicht entscheiden, entweder den Kampf gegen die internationale Staatengemeinschaft aufzunehmen oder syrische Geheimdienstler oder gar engste Verwandte wie den eigenen Bruder oder Schwager festzunehmen, deren Namen in der ersten Version des ersten Berichts als Verdächtige aufgetaucht waren.

Der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, John Bolton, nannte den neuen Bericht zwar „sehr verstörend“. Doch es dürfte dem UN-Sicherheitsrat, der am Dienstag über den Bericht beriet, schwer fallen, eine neue, härtere Resolution gegen Syrien zu verabschieden. Der erste Bericht unter der Leitung des Berliner Oberstaatsanwaltes Detlev Mehlis hatte es im Oktober als sehr unwahrscheinlich dargestellt, dass der Mord in Libanon ohne Wissen Syriens ausgeführt wurde und Damaskus mangelnde Zusammenarbeit bei der Aufklärung des Verbrechens vorgeworfen. Daraufhin hatte der Sicherheitsrat Syrien in der Resolution 1636 zu besserer Kooperation aufgefordert und andernfalls Sanktionen angedroht.

Die Erleichterung al Assads könnte trügerisch sein. Denn die Verdachtsmomente gegen vier libanesische Generäle, die in Haft sind, und „hochrangige syrische Vertreter“, seien durch neue Zeugenaussagen erhärtet worden, heißt es in dem 25-seitigen Bericht. Von 19 Verdächtigen ist die Rede. Syrien wird zudem vorgeworfen, seine Geheimdienstunterlagen zu Libanon vernichtet zu haben. Und der Sicherheitsrat wird am Mittwoch wahrscheinlich dem Antrag der libanesischen Regierung stattgeben, die Untersuchung um sechs Monate zu verlängern. Und möglicherweise sogar auszuweiten auf andere Morde, wie den an dem syrienkritischen Publizisten und Abgeordneten Gibran Tueni, der am Montag durch eine Autobombe in Beirut starb.

Auch das Medienspektakel um den Zeugen Hussam Taher Hussam scheint dem Regime in Damaskus eher geschadet zu haben. Der Syrer hatte gegenüber der Untersuchungskommission das syrische Regime stark belastet. Vor zehn Tagen widerrief er in Damaskus im Fernsehen jedoch seine Aussagen und erklärte, der Sohn des ermordeten Hariri habe ihm Geld geboten für eine Falschaussage. „Vorläufige Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass Hussam durch die syrischen Behörden manipuliert wurde“, heißt es dazu in dem neuen Bericht. Viele Syrer hat Hussams Widerruf gleichwohl überzeugt. Innenpolitisch wäre damit das Kalkül des Regimes aufgegangen, wenn es denn hinter der „Umdrehung“ des Zeugen stände. Denn Damaskus bemüht sich, die UN-Untersuchungskommission als westliche Konspiration gegen die Syrer an sich darzustellen.

In dem „Puzzle“, das nach Mehlis’ Angaben bisher zur Hälfte zusammengelegt wurde, fehlt ein Stein: Gibt es einen Deal zwischen dem Regime und den USA? Diese Frage beschäftigt in Damaskus viele Beobachter. Sie gehen davon aus, dass die USA dafür sorgen könnten, dass der Schwager Assads, Geheimdienstchef Asef Schawkat, sowie sein Bruder Maher, aus der Schusslinie genommen werden könnten im Gegenzug für politisches Wohlverhalten Syriens im Hinblick auf Irak und Palästina sowie eine wirtschaftliche Öffnung des Landes. Anhaltspunkte für diese These sehen deren Verfechter darin, dass im ersten Mehlis-Bericht die beiden Namen vor der Präsentation im Sicherheitsrat geschwärzt wurden. Dieses Mal wurden keine Namen genannt.

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