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Politik: Die Höhe von Zahlungen ist noch völlig offen - der Verhandlungsführer Lambsdorff fordert eine stärkere Beteiligung der Industrie

Bei den Verhandlungen über die Entschädigung von Zwangsarbeitern der NS-Zeit hat es doch kleinere Fortschritte gegeben. Nach Darstellung des Kanzlerbeauftragten Otto Graf Lambsdorff und des amerikanischen Vize-Finanzministers Stuart Eizenstat vom Freitag bestehen hinsichtlich der Höhe der Entschädigungssumme aber noch gravierende Meinungsverschiedenheiten.

Bei den Verhandlungen über die Entschädigung von Zwangsarbeitern der NS-Zeit hat es doch kleinere Fortschritte gegeben. Nach Darstellung des Kanzlerbeauftragten Otto Graf Lambsdorff und des amerikanischen Vize-Finanzministers Stuart Eizenstat vom Freitag bestehen hinsichtlich der Höhe der Entschädigungssumme aber noch gravierende Meinungsverschiedenheiten. Die Bonner Verhandlungsrunde war am Donnerstag ohne Durchbruch zu Ende gegangen. Die Gespräche sollen am 6. und 7. Oktober in Washington fortgesetzt werden.

Sollte es keine Einigung geben, wären "gravierende Störungen" in den wirtschaftlichen und auch in den politischen Beziehungen "mehr als wahrscheinlich", sagte Lambsdorff, der im Oktober nach Washington reist. Eizenstat sagte, es sei die gemeinsame Aufgabe, Spannungen in den Beziehungen beider Länder zu verhindern und die enge Partnerschaft nicht zu gefährden. Lambsdorff kündigte namens des Bundeskanzlers an, die Bundesregierung werde jetzt nach der Sommerpause den Gesetzentwurf für eine ergänzende Bundesstiftung einbringen.

Noch völlig ungeklärt ist die Höhe der Entschädigungssumme. Lambsdorff kritisierte in diesem Zusammenhang die Anwälte, die Betroffene in über 100 Sammelklagen in den USA vertreten. Die von diesen in der Öffentlichkeit gestreute Zahl von 20 Milliarden Dollar sei "abwegig". Klägeranwalt Michael Witti bestritt indes im Westdeutschen Rundfunk diese Zahl. Allerdings handele es sich um eine "sehr hohe Milliardenforderung". Die Verhandlungsparteien seien aber "noch Lichtjahre auseinander". Kritik an den Anwälten übte auch der Generalsekretär des Jüdischen Weltkongresses, Israel Singer. Die deutsche Industrie könne nicht jeden entschädigen, der möglicherweise gegen die Unternehmen klagen werde, sagte Singer im Inforadio Berlin-Brandenburg. Man könne "nicht jeden zu einem Holocaust-Opfer machen".

Dem Tagesspiegel sagte Lambsdorff, dass ein Scheitern der Verhandlungen "eigentlich nicht vorstellbar" sei. "Aber völlig ausschließen kann man es auch nicht." Die Zahl der 16 bislang an der Stiftungsinitiative beteiligten Firmen reiche nicht aus. Die deutsche Wirtschaft bemühe sich darum, den Kreis zu erweitern. "Ich vermisse auch einige große deutsche Unternehmen, von denen man ja sogar weiß, dass sie Zwangsarbeiter beschäftigt haben," sagte der Kanzlerbeauftragte weiter. Alle an den Verhandlungen Beteiligten müssten sich darüber klar werden, "was an Geld gefordert und was an Geld geboten werden kann." "Wenn wir das schaffen, dass wir konkret und konstruktiv übers Geld reden, dann wird man sehen, dass sich die vielen technischen und rechtlichen Fragen viel schneller lösen lassen." Der Problemkreis der Arisierung jüdischer Banken und daraus erwachsender Entschädigungszahlungen habe "noch nicht abschließend behandelt werden" können, sagte Lambsdorff weiter.

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma bleibt unterdessen trotz einer früheren Zusage aus dem Kanzleramt vorerst von den Gesprächen über den Industriefonds für ehemalige Zwangsarbeiter ausgeschlossen. Dies berichtete der Vorsitzende des Zentralrats der Sinti und Roma, Romani Rose, am Freitag in Frankfurt.

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