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Politik: Die Hölle von Blace und die Not der freiwilligen albanischen Helfer

SKOPJE .Seit nunmehr acht Tagen staut sich das Menschenmeer in der Talsenke beim mazedonisch-jugoslawischen Grenzübergang Blace.

SKOPJE .Seit nunmehr acht Tagen staut sich das Menschenmeer in der Talsenke beim mazedonisch-jugoslawischen Grenzübergang Blace.Es sind inzwischen schätzungsweise 120 000 Kosovo-Albaner, von den Serben aus Pristina unter Todesdrohungen deportiert, hier in der Hölle von Blace von einem Kordon aus mazedonischer Polizei und Armee abgeblockt, so daß die unübersehbare Menschenmenge viele Kilometer zurückreicht - auf das jugoslawische Territorium.

Täglich sterben hier Menschen an Erschöpfung und Auszehrung; auf simplen Holzbahren werden sie abtransportiert.Daß das große Massensterben noch nicht stattgefunden hat, ist nur den mazedonischen Albanern zu verdanken.Ihre Aktivisten arbeiten Tag und Nacht, um die Vertriebenen wenigstens mit einem Minimum an Trinkwasser und Nahrung zu versorgen.Sie kämpfen nicht nur gegen eine Lawine von Elend und Not an, sondern werden dabei zusätzlich von den mazedonischen Behörden noch behindert.So mußte sich Nuredin Daci, Mitglied einer Hilfsorganisation, am Montag abend von einem deutschen Reporter in dessen Wagen nach Blace hineinschmuggeln lassen, weil die Polizisten an insgesamt vier Kontrollpunkten Autos mit mazedonisch-albanischen Helfern nur nach Gutdünken durchließen.Unterwegs nahm der Wagen noch drei weitere Helfer auf.Sie hatten die Kontrollpunkte nördlich von Skopje zu Fuß umgangen und hätten auch die restlichen 18 Kilometer zu Fuß zurücklegen müssen.

In Blace angekommen, schnappte sich Daci im Zelt seiner Organisation Mundschutz und Gummihandschuhe.Solche werden inzwischen auch von den Soldaten und Polizisten getragen, die die Absperrung bilden.Durch das tagelange Ausharren der dichtgedrängten Menge in Regen und Kälte droht der Ausbruch von Epidemien.Direkt am Grenzübergang wurde ein Areal zur Behandlung jener medizinischen Notfälle eingerichtet, die überhaupt aus der Talsenke hochkommen.Auch dieses wird inzwischen von der Polizei gegen Reporter und Außenstehende abgeschirmt."Ich habe gesehen, wie sie meinen Sohn hochgetragen haben, er liegt im Sterben", klagte Selim Ratkoceri, ein älterer Mann, der seit 30 Jahren in Hessen lebt."Sie lassen mich nicht durch zu ihm." Sohn Faik lebte mit seiner Familie und acht Kindern in Pristina und wurde wie die anderen deportiert.Ratkoceri, aus Deutschland gekommen, stand seit Tagen vor der Absperrung, entdeckte nun seinen Sohn auf einer Holzbahre und konnte dennoch nicht zu ihm.

Auch Nuredin Daci konnte ihm nicht helfen.Wie sollte er als mazedonischer Albaner das Herz eines mazedonischen Polizisten erweichen? Schnell sprang er auf den Anhänger eines Traktors, der auf einem Feldweg Lebensmittel in die Talsenke fahren sollte.Drei vollgepackte Traktoren standen vor der Polizei-Absperrung.Geduldig mußten die Helfer darauf warten, bis sich die Polizisten dazu herabließen, sie durchzulassen.Im US-Sender CNN war zu sehen, daß die Ordnungshüter schon auch mal ihre Schlagstöcke gegen die freiwilligen Helfer einsetzen, wenn diese es an unterwürfiger Geduld vermissen lassen.

Nach Angaben von Bundesverteidigungsminister Scharping gibt es indes eine große Anzahl übereinstimmender Zeugenaussagen, wonach in einem Tal im Kosovo weitere große Menschenmengen von serbischen Militärs zusammengetrieben worden seien.Eine "beachtlich große Zahl" dieser Menschen stehe vor dem Verhungern oder dem Verdursten.Deutschland habe bislang 500 Tonnen Hilfsgüter für die Vertriebenen nach Mazedonien und Albanien gebracht.Das deutsche Zeltlager in der Nähe des mazedonischen Bundeswehrstandortes Tetovo sei inzwischen fertig und biete Platz für 3000 Kosovo-Albaner.

GREGOR MAYER

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