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Politik: „Die Iraker wollen die Dinge selbst in die Hand nehmen“

Der frühere UN-Koordinator Hans von Sponeck über den Neuanfang

Herr von Sponeck, der UNSicherheitsrat weigert sich bisher, die Sanktionen gegen den Irak aufzuheben. Wird hier nicht ein politischer Streit auf dem Rücken der irakischen Bevölkerung ausgetragen? Der Diktator ist schließlich entmachtet, die Grundlage für die Sanktionen somit nicht mehr gegeben.

Die Aufhebung wäre absolut im Interesse der Bevölkerung, die Jahrzehnte der Unterdrückung erdulden musste und unter Sanktionen und Krieg gelitten hat. Dennoch verhält sich der Rat korrekt, denn nach den UN-Resolutionen muss zunächst festgestellt werden, dass der Irak vollständig abgerüstet hat. Es sei denn, es werden Resolutionen verabschiedet, die etwas anderes besagen.

Das klingt sehr bürokratisch . . .

Deshalb halte ich den von Frankreich vorgeschlagenen Weg für den besten. Danach würden die Sanktionen zunächst ausgesetzt, während im Sicherheitsrat weiter über eine politische Lösung verhandelt wird.

Dabei wird es auch um die Rolle der UN gehen. Was könnten sie überhaupt leisten?

Sie sollten die Hilfe koordinieren und den Aufbau unterstützen – im Idealfall in Zusammenarbeit mit einer irakischen Regierung.

Eine UN-Verwaltung wie im Kosovo schließen Sie aus?

Diese Frage stellt sich doch gar nicht. Weder die USA noch die Iraker würden dies zulassen. Schauen Sie sich etwa die Schiiten an, die sehr gut organisiert sind. Die wollen die Dinge selbst in die Hand nehmen. Viele Exiliraker, wie der Führer des Irakischen Nationalkongresses, Ahmed Chalabi, stehen den UN zudem sehr kritisch gegenüber. Sie werden allenfalls eine beratende Rolle akzeptieren, bei der Modernisierung der Verwaltung oder der Ausarbeitung einer Verfassung.

Und wenn es auf einen fundamentalistischen Gottesstaat hinausläuft?

Das müssen wir abwarten. Wichtig ist, dass wir den Irakern die Chance geben, selbst einen Weg zu finden, und sie nicht weiter bevormunden. Die Bevölkerung ist viel stärker, als wir erwartet haben. Sonst hätten die Menschen nach dem Krieg kaum die Kraft aufgebracht, nicht nur gegen Saddam, sondern auch gegen die Besatzer zu protestieren.

Demnach müsste auch der Wiederaufbau zügig vorangehen. Zumal mit dem Öl auch eine solide ökonomische Grundlage da ist.

Da bin ich skeptisch. Die Ölindustrie ist völlig veraltet und muss modernisiert werden. Gleichzeitig muss das Land hohe Schulden bedienen. Und auch das menschliche Potenzial fehlt. In den zwölf Jahren unter Sanktionen wurde nicht in das Bildungssystem investiert. Dafür war das Geld, das über das Programm „Öl-für-Lebensmittel“ eingenommen wurde, nicht vorgesehen. Deshalb gibt es kaum gut ausgebildete Menschen im Irak und auch keine Mittelschicht, die der Gesellschaft ideelle Impulse geben könnte.

Die Sanktionen waren hart, keine Frage. Aber haben sie nicht auch das Regime geschwächt?

In gewisser Weise haben sie es sogar gestärkt. Die Lebensmittellieferungen der UN wurden von staatlichen Stellen verteilt, dadurch konnte das Regime die Kontrolle noch ausweiten. Außerdem hat sich im Umfeld des Diktators eine Mafia etabliert, die am Handel mit verbotenen Waren verdient hat.

Könnten dieses Geld und die Einnahmen aus illegalen Ölausfuhren in verbotene Waffenprogramme geflossen sein?

Man kann nicht ausschließen, dass mit einem Teil des Geldes Waffenprogramme finanziert wurden. Entscheidend ist aber, dass der Irak kaum unbemerkt neue Trägersysteme für Raketen entwickeln oder Zentrifugen für den Bau von Atomwaffen betreiben konnte. Das wäre ausländischen Geheimdiensten nicht verborgen geblieben.

Wie sehen Sie Deutschlands Rolle im Irak?

In den Kurdengebieten gibt es viele Menschen, die in Deutschland gelebt haben. Diese Leute sollten wir unterstützen und die Chance nutzen, über sie eine Brücke in den Irak zu bauen. Das wäre ein Anfang. Und wenn uns die Iraker akzeptieren, können uns auch die USA nicht mehr links liegen lassen.

Das Gespräch führte Ulrike Scheffer

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