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Politik: Die Jungfrauen warten nicht

Ein deutscher Islam-Experte deutet die Verheißung vom Jenseits im Koran neu – und fürchtet nun eine Fatwa gegen sich

Im Paradies warten willige Jungfrauen auf den Märtyrer. Dies glauben islamistische Terroristen – und auch viele gemäßigte Moslems. Falsch, sagt ein deutscher Forscher. Nicht „Jungfrauen“ liegen bereit, sondern „Weintrauben“. Wo das Missverständnis herrührt? Ganz einfach, sagt Christoph Luxenberg: Der Koran wird falsch gelesen. Die heilige Schrift des Islam als erstes arabischsprachiges Buch sei nur verständlich, wenn man die damalige Bildungssprache, das Aramäische, in den vielen Zweifelsfällen heranzieht, die sich um die Bedeutung einzelner Textpassagen ranken. Den Koran auf Aramäisch lesen: Genau dies hat Christoph Luxenberg getan. Im Jahr 2000 kam der erste Band seiner Studie heraus. Bald folgt der zweite.

Erneut wird er viel Streitbares enthalten. Aus „Kopftüchern“, die Frauen tragen sollen, werden in Luxenbergs Interpretation „Gürtel“. Aus Mohammed, dem „Besiegeler“ der Propheten, wird ein „Zeuge“. Aus dem Koran insgesamt wird eine Schrift, die dem Christentum viel näher steht als bislang vermutet. So mit dem Koran umzugehen betrachten viele Moslems als gotteslästerlich. Der Wissenschaftler, der an einer westdeutschen Hochschule lehrt, publiziert daher unter einem Pseudonym. Todesdrohungen und eine Fatwa – so will er nicht leben. Dabei ist die Fachwelt von Luxenbergs Thesen fasziniert. „Mit einem Buch hat er für die Koran-Exegese geleistet, woran die Bibel-Studien seit über 100 Jahren arbeiten“, hieß es in einer US-Fachzeitschrift. Als „sehr bedeutsam und überzeugend“ bezeichnet der tunesische Koran-Forscher Mondher Sfar Luxenbergs Thesen.

Wie berechtigt Luxenbergs Furcht ist, hat sich jetzt gezeigt. „Newsweek“ hat in seiner internationalen Ausgabe die Thesen des Linguisten in seinem zweiten Band vorgestellt. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Bangladesch und Pakistan verboten die „Newsweek“-Ausgabe und ließen alle Exemplare an den Grenzen beschlagnahmen. „Falsche und widerwärtige“ Aussagen über den Koran seien dem Volk nicht zuzumuten, so die Regierungen.

Das Verbot von „Newsweek“ ist ein schlechtes Omen für die öffentliche Aufnahme von Luxenbergs zweitem Buch. Doch nicht alle islamischen Gesellschaften reagieren so wie die Regierungen in Bangladesch und Pakistan. In Indonesien und Libanon hat eine Diskussion der Thesen begonnen. Luxenberg selbst sieht seine Forschung als Angebot: „Wenn ich mit vernünftigen Gründen erkläre, wie der Koran ursprünglich zu lesen war, dann glaube ich, dass auch ein gläubiger Moslem bereit sein wird, dies einzusehen.“ Hofft er.

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