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Politik: Die Jusos und der Franz

Der SPD-Nachwuchs streitet auf seinem Kongress in Leipzig mit dem Parteichef – hart, aber fair

Generalsekretäre schont man nicht. Und die Jusos denken schon gar nicht daran. Klaus Uwe Benneter, der Mitte der 70er den Juso-Vorsitz abgeben musste, eröffnet den Reigen der Erwachsenen-Besuche beim Juso-Kongress in Leipzig und wird seiner Rolle gerecht. Den lautesten Beifall erntet er für den Satz: „Wir haben Fehler gemacht.“ Soviel zum Generalsekretär; am Samstag kam SPD-Chef Franz Müntefering. Er wurde, nun ja, keinesfalls unfreundlich begrüßt. Die Gefechtslage ist klar: die Jusos zählen zu den linken Abteilungen in der SPD, die sich nach den schweren Wahlniederlagen und der überraschend verkündeten Neuwahl einen Kurswechsel wünschen, weg von der Kanzler-Agenda, hin zu – was immer das sein mag – mehr sozialer Gerechtigkeit. Franz Müntefering weiß das. Er hat eine schwierige Woche hinter sich, in deren Verlauf er der Öffentlichkeit und seiner aufgewühlten Partei ungefragt einräumte, dass er einen Autoritätsverlust erlitten habe.

Bei aller Kritik in der Sache: Die Jusos wissen, was sich gehört. Der frisch wiedergewählte Juso-Chef Björn Böhning eröffnet die Aussprache nach Münteferings Rede mit der großmütigen Feststellung: „Franz, ich glaube nicht, dass deine Autorität in der Partei in Frage gestellt wird.“ Aber für „eine ehrliche Antwort“ sei er eben auch. Eine Stunde hat der SPD-Chef vorher geredet, sehr grundsätzlich, über sozialdemokratische Werte, in deren Zentrum die Freiheit, die Emanzipation des Einzelnen stehe. Und erstaunlich wenig konkret über das, was alle Sozialdemokraten derzeit am meisten bewegt. Erläuterungen zur vorzeitigen Neuwahl, die ja nicht weniger als die Abgabe der Regierungsmacht bedeutet, liefert der Parteivorsitzende nicht: Er geht vom Faktum eines bald zu führenden Richtungswahlkampfs für den „sozialen Fortschritt“ aus, den alle Sozialdemokraten solidarisch führen sollen. „Freiheit“, ruft Böhning in Kämpferpose in den Saal, „das ist auch die Freiheit vor der Angst vor Abstieg“. Geschlossenheit will er nicht mit „Korpsgeist“ verwechselt sehen; es müsse weitergehen mit der „Kursöffnung, die wir erreicht haben“. Ein Wahlmanifest mit „klarer sozialdemokratischer Handschrift“, Mindestlohn, Bürgerversicherung: „Und dann auch noch den Millionärszuschlag auf die Einkommenssteuer.“

Gegen diese Grundstimmung spricht für die Minderheit der Jusos aus Baden-Württemberg, Hamburg und Schleswig-Holstein Hendrik Bednarz: Seine Anhänger geben schon demonstrativen Beifall, als er ans Rednerpult tritt. Ein radikaler Kurswechsel wäre verfehlt, die SPD müsse „ran an den steuerfinanzierten Sozialstaat“. Und, vor allem, sagt Bednarz: „Unser Gegner ist Angela Merkel und Schwarz-Gelb, nicht Gerhard Schröder.“

Müntefering nimmt die Jusos ernst; er redet ihnen nicht nach dem Mund. Die Jusos wüssten ja, dass ihre Beschlüsse nicht zwingend das seien, was die Gesamtpartei am 4.Juli als Wahlmanifest verabschiedet. Wenn es verabschiedet ist, müsse es für alle gelten: „Ihr seid ein wichtiger Teil der Partei, aber ein Teil.“ „Ja, wenn es so einfach wäre“, antwortet Müntefering auf die Forderung, die Stammwähler zurückzuholen. 50 000 seien in Nordrhein- Westfalen zum Linksbündnis abgewandert, aber 290 000 zur CDU. Bei Erbschaftssteuer, Mindestlohn, Zumutbarkeit und Körperschaftssteuer sagt Müntefering nicht Nein, hält den Jusos aber die komplizierte Realität entgegen. Nur bei der Millionärssteuer spielt der SPD-Chef gar nicht mit. Müntefering, Jahrgang 1940, und die Jusos verabschieden sich kühl. Drei Stunden später dann bringt ein anderer Besucher den Saal in Hochstimmung. Ottmar Schreiner, als Bundestagsabgeordneter Schröders schärfster Hartz-IV–Kritiker und Chef der sozialdemokratischen Arbeitnehmervereinigung AfA, schafft den Schulterschluss: Jusos und AfA marschieren Seit an Seit.

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