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Wer zieht nach Angela Merkel ins Kanzleramt ein?

© Hannibal Hanschke/Reuters

Die K-Frage: Wer folgt Angela Merkel?: Diese Risiken bringen die Bewerber mit

Sie ist Kanzlerin auf Abruf. Das macht die Personalien der Union noch komplizierter. Fragen und Antworten zum Nachfolge-Problem.

Angela Merkel liest Zeitungen, jeden Tag bekommt sie einen dicken Pressespiegel vorgelegt. So verheerend war die – internationale – Presselage schon lange nicht mehr. Der „Economist“ schreibt: „Merkel sollte bald aufhören“.

Am schärfsten ist die „Neue Zürcher Zeitung“, da wird die Lage mit dem Corona-Virus verglichen. „Auch die CDU hat sich mit einer Krankheit infiziert. Sie nahm ihren Ausgang irgendwann, nachdem Angela Merkel Kanzlerin geworden ist.“ Die Partei leide seither am Virus der Beliebigkeit, das habe im Fall Thüringen zur Eruption geführt. Merkels für 2021 angekündigtes Ende versetze die deutsche Politik in einen lähmenden Schwebezustand, sie solle gehen.

Nun lässt sich streiten, ob einige der Vorwürfe noch etwas mit seriösem Journalismus zu tun haben. Aber wie sagte schon Alexander von Humboldt: „Alles ist Wechselwirkung“ – und so ist es auch bei dieser CDU-Krise.

Warum kann die Kanzlerin den Ausweg aus der CDU-Krise erschweren?

Annegret Kramp-Karrenbauer hat bei ihrer Rückzugsankündigung klar gemacht, dass ein Grund für ihr Scheitern in der Trennung von Kanzleramt und Parteivorsitz liegt. Es war ein großes Thema am Rande bei der Münchener Sicherheitskonferenz, warum jetzt ein neuer Vorsitzender gesucht wird, der dann auch Kanzlerkandidat werden könnte, aber genauso bis zum Ende von Merkels Amtszeit im Herbst 2021 mit dieser Koexistenz leben soll.

Das kann weitere Konflikte heraufbeschwören, da der Nachfolger Kramp-Karrenbauers an der CDU-Spitze sich profilieren müsste, die wahre Macht aber weiter bei Merkel liegen würde. Sie hat das im Durchgreifen nach der Wahl Thomas Kemmerichs zum Ministerpräsidenten in Thüringen gezeigt. Sollte Friedrich Merz Vorsitzender werden, ist es schwer vorstellbar, wie das funktionieren soll.

Zugleich wird geunkt, sollte Merz auch Kanzlerkandidat werden, könnte ein „Peer-Steinbrück-Wahlkampf“ mit Pannen, Dünnhäutigkeiten und skandalisierten Informationen zu seiner Blackrock-Tätigkeit dräuen. Auch mit dem bisherigen Gesundheitsminister Jens Spahn, der oft ihre Flüchtlingspolitik kritisierte und derzeit am stärksten mit progressiven Ideen für eine CDU der Zukunft auffällt, ist eine harmonische Zusammenarbeit schwer vorstellbar. Am ehesten würde es mit Armin Laschet funktionieren, der einfach erst einmal weiter Ministerpräsident in NRW bleiben würde. Auch deshalb ist er in der Favoritenrolle. Merkel hat Laschet am vergangenen Donnerstag in Berlin getroffen.

Welche Rolle spielen Kramp-Karrenbauer und Söder?

Sie wollen Merkel im Amt halten. Lange beschworen die Parteichefs ihre Harmonie, brachten CDU und CSU nach den Verwerfungen ihres Asylstreits wieder zusammen. Aber jetzt läuft auch dieses Tandem nicht mehr ganz so rund. „Ihre Management-Fähigkeiten sind nicht gut“, sagt ein Kenner der internen Abläufe mit Blick auf Kramp-Karrenbauer.

CSU-Chef Markus Söder hat nun einfach mal ihren Plan kassiert, der vorsah, dass der nächste CDU-Chef auch Kanzlerkandidat werden soll. Söder sagte am Montag, die Frage des Kanzlerkandidaten sei zeitlich zu trennen vom CDU-Parteivorsitz. Wer die Union in den Bundestagswahlkampf führe, solle erst Ende 2020, Anfang 2021 geklärt werden – also können es auch zwei unterschiedliche Personen werden.

Und so bringt sich Söder quasi wieder selbst ins Spiel. „Der Kanzlerkandidat, der kann nur gemeinsam bestimmt werden.“ Das Verfahren sollten die Präsidien von CDU und CSU gemeinsam besprechen. Und: Merkels Amtszeit dürfe nicht verkürzt werden. Sie habe im In- und Ausland weiter hohe Akzeptanz. Bei ihm gilt gleiches wie bei Laschet. Er könnte auch erstmal Ministerpräsident bleiben.

Warum gibt es dennoch wieder eine Merkel-Debatte?

Die Münchener Sicherheitskonferenz, das wichtigste Treffen der Außen- und Verteidigungspolitiker aus aller Welt, hat schonungslos offengelegt, wie kritisch die Bundesregierung gesehen wird. Besonders der französische Präsident Emmanuel Macron machte dort Druck für rasche Entscheidungen: Der EU-Haushalt muss geklärt werden und vor allem, wie die EU-Staaten militärisch und ökonomisch schlagkräftiger werden in einer Welt mit einer fragilen transatlantischen Partnerschaft, einem aggressiven Russland und einem immer dominanteren China. Immer wieder wird das Warten auf klare Entscheidungen, Initiativen und Aufbruch aus Berlin kritisiert.

Der letzte große Aufschlag war die Libyen-Konferenz, doch schon die Überwachung des Waffenembargos klappt kaum. Allgemein wachsen die Sorgen vor neuen großen Migrationsströmen. Lange Personaldebatten und unklare Machtverhältnisse helfen nicht, Entscheidungen in Europa voranzubringen.

Merkel will die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ab Juli für einen neuen Aufbruch nutzen, für den Herbst ist auch der erste Vollgipfel zwischen Chinas Führung und allen EU-Staats- und Regierungschefs in Leipzig geplant. Der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger schlug in der „Bild“ vor, ein vorzeitiges Ende der Kanzlerschaft Merkels nach der EU-Ratspräsidentschaft Ende 2020 zu prüfen. Die Bundestagswahl könne dann vorgezogen werden.

Wie könnte Merkel weichen?

Sie müsste zunächst die Vertrauensfrage im Bundestag stellen. Verliert sie diese, kann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier binnen 21 Tagen den Bundestag auflösen. Dann finden innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen statt. Das wäre dann die wahrscheinlichste Variante, da die SPD-Spitze klargestellt hat, man wähle niemanden anderes als Merkel zum Kanzler. Aber bisher gilt ihr Rückzug als ausgeschlossen. Wenn es etwas zu klären gäbe, würde es traditionell an einem Montag passieren, im CDU-Präsidium. Das tagt am nächsten (Rosen)-Montag wieder – dann soll es um den Fahrplan zur Lösung der Personalfragen gehen. Kramp-Karrenbauer trifft zuvor im Laufe dieser Woche einzeln Merz, Spahn und Laschet. Es wird spekuliert, dass noch jemand viertes, wieder ein Mann aus NRW, seinen Hut in den Ring werfen könnte. Und viel wird über eine Teamlösung geredet, aber es gilt als sicher, dass es keine Doppelspitze geben wird, die anderen aber prominent eingebunden werden sollen. Auffällig sind übrigens die Sticheleien der CSU gegen Merz, den sie versuchen als Mann der „90er“ darzustellen.

Was kommt zu kurz?

Eine Grundsatzdebatte, ob der Ausschluss jeglicher Kooperation mit Linkspartei und AfD für die Union in der Form aufrechtzuerhalten ist – oder ob es gerade Richtung Linkspartei mehr Flexibilität braucht. „Diese strategische Richtungsfrage muss als erstes geklärt werden“, sagt Söder.

Er übernimmt auch hier spürbar die Führung. Wer Kanzlerkandidat werden wolle, müsse ganz klar machen, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben könne. „Ich glaube, dass die Abgrenzung zur AfD schon eine existenzielle Frage ist. Es dürfe kein Wackeln, kein Zaudern und kein Zögern geben. „Davon hängt die bürgerliche Identität von CDU und CSU ab.“

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