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Bundeskanzlerin Angela Merkel pokert hoch - und verärgert damit die Länderchefs.

© Odd Andersen/AFP

Die Kanzlerin pokert hoch: Eine gegen 16 – kann Merkel ihren Kampf gewinnen?

Die Bundeskanzlerin hat es schwer, sich gegen die Ministerpräsidenten durchzusetzen. Aber nächste Woche könnte es schon wieder anders aussehen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Zehn Monate noch hat Angela Merkel, dann ist ihre Zeit im Kanzleramt vorüber. Klar, dass sie das weiß, sie kann ja rechnen. Physiker können das. Und nun kann man meinen, dass Merkel eine „lame duck“ ist oder wird, das Karriereende vor aller Augen. Klar, dass sie das auch weiß. Aber die Kanzlerin tut gegenwärtig einiges, um das Vergessen zu machen.

Zum Beispiel, indem Merkel ihren Führungsstil wenn nicht verändert, so doch variiert. Wo sie oft anfangs eher unbestimmt war - weshalb ihr alter Spezi Christian Wulff (früher Bundespräsident von ihren Gnaden) über Merkel auch mal sagte, „sie führt von hinten, wie eine gut Schäferin“ - führt sie heute auffällig bestimmt und weit vorne.

Gleich geblieben ist es nur im Wesentlichen: Am Ende ist es ihre Form von Basta-Politik, die sich auf den Begriff „alternativlos“ reimt. In der Corona-Sache zum Beispiel lässt sie nicht locker, will sich unbedingt noch durchsetzen im Kreis der Regierungschefs. Die Ausgangslage ist nicht einfach. Stand jetzt: 16:1 gegen Merkel.

Was aussieht wie ein rapider Autoritätsverfall – wann hat es das schon einmal gegeben, dass wirklich alle Ministerpräsidenten gegen einen Kanzler, eine Kanzlerin Front machen –, kann aber auch wieder anders ausgehen.

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Nächste Woche schon, wenn sie alle wieder zusammenkommen, um im Licht der Zahlen über Infektionen und R-Werte und alles das aufs Neue zu beraten und eventuell auch neu zu entscheiden. Dann im Merkel’schen Sinne? Ein, zwei Mal ist das ja schon passiert.

Richtig ist: Mit ihrem Verhalten pokert Merkel hoch. Der Mehrheit unter den Regierungschefinnen und -chefs, und nicht nur dort, geht sie mit ihrer volkspädagogischen Art auf die Nerven. Als hätte die Kanzlerin den Satz „Ermunterung ist immer besser als Ermahnung“ noch nie gehört.

Von Laschet und Söder kommt kein empörter Widerspruch

Hinzu kommt, dass der Versuch des Kanzleramts, mit Beschlussvorlagen quasi in letzter Sekunde vor den Treffen Druck aufzubauen und Entscheidungen zu erzwingen, zum wiederholten Mal Unmut hervorgerufen hat. Sage keiner, dass sich ihr Kanzleramtsminister Helge Braun das so ganz von selber traut; dann müsste er ja entlassen werden.

Aber sauer sind sie, da war der Regierende Bürgermeister Berlins, Michael Müller, als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ein bisschen überraschend schon sehr deutlich. Und sprach darin wohl ausdrücklich für alle. Von den Unionsministerpräsidenten und Konkurrenten Armin Laschet, CDU, Nordrhein-Westfalen, und Markus Söder, CSU, Bayern, kam jedenfalls kein empörter Widerspruch.

Und dennoch: Merkel hat die Bekämpfung der Pandemie zu ihrem großen Thema gemacht, dem Abschiedsthema. Was inhaltlich zu ihr passt, ist es doch eines, das eng mit der Wissenschaft verbunden ist. Aber eben auch politisch: Als wolle sie als die große Siegerin vom Platz gehen. Was alles in allem noch passieren kann. Bis zum Sommer nächsten Jahres sowieso, wenn das Virus im Griff sein sollte, und in der nächsten Woche auch.

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