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Politik: Die Kidnapper durchbrechen erneut den Belagerungsring der Armee

Für die erschöpften und zum Teil erkrankten entführten Touristen auf den Philippinen scheint die entbehrungsreiche Odyssee durch den Dschungel kein Ende zu nehmen. Die Kidnapper der militanten Moslemgruppe Abu Sayyaf durchbrachen zum zweiten Mal den Belagerungsring der Armee und brachten die 21 Menschen in ein neues Lager.

Für die erschöpften und zum Teil erkrankten entführten Touristen auf den Philippinen scheint die entbehrungsreiche Odyssee durch den Dschungel kein Ende zu nehmen. Die Kidnapper der militanten Moslemgruppe Abu Sayyaf durchbrachen zum zweiten Mal den Belagerungsring der Armee und brachten die 21 Menschen in ein neues Lager.

Die Entführten seien am Montagabend in acht umgebauten Jeeps an den Fuß des Bergs Bonga im Dorf Pansol auf der Insel Jolo gebracht worden, sagte der Polizeichef der südlichen Provinz Sulu, Candido Casimiro. An der Aktion sollen 400 Mitglieder der Moslemextremisten beteiligt gewesen sein. Dabei war es den Angaben zufolge zu keinen Feuergefechten gekommen. Es ist das dritte Lager, in das die Geiseln - darunter die dreiköpfige Familie Wallert aus Göttingen - während der seit 17 Tagen dauernden Entführung verschleppt wurden.

Unterdessen gingen die Bemühungen um eine Freilassung von Renate Wallert weiter. "Die Gespräche (mit den Kidnappern) gehen gut voran und wir hoffen, bald eine Übereinkunft über die Freilassung zu haben, hoffentlich innerhalb 48 Stunden", sagte ein Unterhändler der Regierung. Unterdessen hielt sich auf Jolo ein Arzt bereit, falls die 57 Jahre alte Musiklehrerin das Urwaldversteck verlassen darf. Sie hat mehrere Zusammenbrüche erlitten und ist am Ende ihrer Kräfte.

Renate Wallert ist laut Berichten ihres ebenfalls entführten Sohnes Marc nach mehr als zwei Wochen Geiselhaft schwer krank. Rebellenführer Escobar sagte dagegen dem Radiosender DXRZ am Dienstag: "Gestern wurde geschossen, und da konnte sie aus ihrer Hängematte springen und laufen." Doch sagte er zu, unabhängige Ärzte zu den Geiseln zu lassen.

Die philippinischen Vermittler zeigten sich zuversichtlich, dass der Kontakt zu den Kidnappern weiter aufrecht erhalten werden kann. "Dieser Vorfall wird unsere Anstrengungen nicht weiter behindern, weil wir wissen, wo sie sind und wir immer noch in Verbindung sind, sagte Unterhändler Abdurrahman Jamasali. Polizeichef Candido Casimiro ergänzte, das Lager sei vor der Ankunft der Geiseln offenbar eigens hergerichtet worden.

Der außenpolitische Repräsentant der Europäischen Union, Solana, brachte Decken, Lebensmittel und Arzneien mit auf die Philippinen. Nach seinem Treffen mit Präsident Estrada sagte er: "Wir vertrauen der Art und Weise, wie die Regierung mit dem Problem umgeht." Dagegen zeigte sich der Vermittler Nur Misuari weniger zuversichtlich. Die europäischen Regierungen hätten allen Grund, beunruhigt zu sein. "Nach den Kämpfen... ist alles ein Scherbenhaufen." Misuari nahm zwei neue Unterhändler in sein Team auf, darunter den libyschen Geistlichen Ibrahim Ghazali (siehe rechts). Er sei aber weiter der Chefvermittler, betonte Misuari, dessen Ablösung die Rebellen fordern.

Die auf Jolo festgehaltenen Geiseln waren am Ostersonntag auf der malaysischen Taucherinsel Sipadan vor der Ostküste Borneos überfallen und mit Motorbooten nach Jolo verschleppt worden. Unter den Entführten sind auch Finnen und Franzosen.

In Deutschland haben am Montagabend etwa hundert Gläubige und Freunde in der Göttinger Stephanuskirche für einen glücklichen Ausgang des Geiseldramas und die Rückkehr der Familie Wallert gebetet. Schülerinnen der Musiklehrerin Renate Wallert hatten die Andacht mitgestaltet. Den Kirchenraum hatten sie mit brennenden Kerzen erleuchtet. Einige der Gottesdienstbesucher weinten. Er hoffe, "dass die Gebete den Wallerts Kraft geben, die Strapazen durchzustehen", sagte Pastor Gerhard Weber. "Unsere Fürbitten sollen jedoch auch uns selbst bestärken, das Leben der Geiseln nicht verloren zu geben."

Die malaysische Regierung hat unterdessen Vorwürfe aus den Philippinen zurückgewiesen, die Geiselnehmer von Sipadan unterstützt zu haben. Malaysia sei kein Ort für den Schutz terroristischer Gruppen, sagte Außenminister Syed Hamid Albar nach einer Meldung der amtlichen Nachrichtenagentur Bernama. Dabei sei es gleichgültig, ob es sich um Moslemrebellen oder andere Terroristen oder Separatisten handle.

Syed Hamid reagierte damit auf den Vorwurf des philippinischen Senators Rodalfo Biazon, wonach Malaysia den Mitgliedern der islamischen Organisation Abu Sayyaf geholfen haben soll, die Touristen auf der Insel Sipadan am 23. April zu überfallen und zu verschleppen. Biazon habe wilde Beschuldigungen gegen ein befreundetes Nachbarland erhoben, kritisierte der Außenminister in Kuala Lumpur.

Sipadan gehört zu dem malaysischen Bundesland Sabah auf der mit Indonesien geteilten Insel Borneo. Die Bevölkerung an der Ostküste von Sabah spricht eine ähnliche Sprache und hat die gleichen Traditionen wie die moslemische Bevölkerung im Süden der Philippinen. Tausende von Moslems aus Mindanao leben seit Jahrzehnten in Sabah. Die Geiselnahme hat die malaysischen Behörden zu einer Razzia unter den Immigranten von Sabah verlanlasst. Die meisten Festgenommenen wurden nach Überprüfung ihrer Papiere wieder freigelassen.

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