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Politik: Die Kinder zuerst

Das neue Unterhaltsrecht von Schwarz-Rot stärkt Zweitfamilien und schwächt Ex-Partner ohne Nachwuchs

Berlin - „Kinder gehen vor“, sagt Justizministerin Brigitte Zypries. Für Scheidungskinder klingt das wie Hohn, denn sie werden nicht gefragt und leiden fast immer an der Trennung iher Eltern. Aber jetzt sollen sie wenigstens im Unterhaltsrecht an erster Stelle stehen – und Vorrang vor geschiedenen Ehepartnern erhalten. Damit könne die Zahl minderjähriger Sozialhilfeempfänger reduziert und „nacheheliche Eigenverantwortung“ gestärkt werden, meint die SPD-Politikerin. Am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf.

Nicht jeder Erwachsene sei in gleicher Weise schutzbedürftig, argumentiert Zypries. Deshalb stünden künftig, wenn das Geld knapp sei, kinderbetreuende Väter und Mütter nach den Kindern an zweiter Stelle der so genannten Unterhaltsgläubiger – unabhängig davon, ob das Paar verheiratet war oder nicht. Genauso geschützt würden allerdings auch alle Ehepartner, die lange verheiratet waren. Deren „Vertrauen in die eheliche Solidarität“ bedürfe, auch wenn die Kinder aus dem Haus seien, eines besonderen Schutzes.

Mit dem Kompromiss scheinen auch die Eheschützer der Union leben zu können, gab es doch zur entsprechenden Koalitionsvereinbarung keinen nennenswerten Einspruch. Und eine Anpassung des starren Unterhaltsrechts auf gesellschaftliche Veränderungen schien nötig: Die Zahl der Scheidungen stieg zwischen 1993 und 2004 um 36,8 Prozent, die meisten geschiedenen Ehen waren nur kurz, die Hälfte der geschiedenen Paare ist kinderlos. Gleichzeitig stieg die Zahl so genannter „Zweitfamilien“ mit Kindern, für die bei der Unterhaltsverteilung nach bisherigem Recht oft nur wenig übrig bleibt.

Außerdem werde der Grundsatz der Eigenverantwortung nach der Ehe inzwischen von beiden Seiten „weitaus mehr akzeptiert“ als früher, sagt Zypries. Das Gesetz sei auch eine Reaktion darauf, dass Frauen nach der Scheidung öfter wieder ins Erwerbsleben zurückfänden. „Und die Erfahrung zeigt, dass Väter lieber für ihre Kinder zahlen als für ihre Ex-Frau.“

Schon bisher hatten Richter die Möglichkeit, den Unterhalt für weniger Bedürftige zu befristen. Davon wurde laut Zypries aber kaum Gebrauch gemacht. „Jetzt geben wir Gerichten noch deutlicher Gelegenheit, die Zahlungen zeitlich und der Höhe nach zu befristen.“ Gleichzeitig bekommen sie nun die Möglichkeit, Nichtverheirateten mit Kind leichter einen verlängerten Unterhalt zuzuerkennen. Ein Maßstab ist auch das Angebot an Kinderbetreuung oder der tatsächliche Betreuungsbedarf des Kindes. Bisher ist der Betreuungsunterhalt für Nichtverheiratete nach der Geburt relativ streng auf bis zu drei Jahre befristet – so lange eben, bis das Kind einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz hat und Mutter oder Vater sich wieder einen Job suchen können. Geschiedene Mütter oder Väter hingegen müssen erst dann wieder in den Beruf, wenn ihr Kind acht Jahre alt ist. „Es bleibt zwar bei dem Unterschied“, sagt die Ministerin „aber die Schere schließt sich jetzt etwas.“

Das Gesetz solle noch dieses Jahr verabschiedet werden und am 1. April 2007 in Kraft treten, kündigte die Ministerin an. Ist der Entwurf erst einmal Gesetz, können Unterhaltsempfänger auch rückwirkend davon profitieren. Um Prozesslawinen zu vermeiden, sollen nachträgliche Klagen aber nur möglich sein, wenn Änderungen von mindestens zehn Prozent der Unterhaltssumme zu erwarten seien, heißt es im Ministerium. Auch müssten die Folgen für Betroffene „zumutbar“ sein, sie dürften ihr Leben also noch nicht allzu stark auf bisherige Zahlungen ausgerichtet haben. Der Ermessensspielraum dafür liegt bei den Richtern.

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