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Stasiaffäre. Staatssekretär Andrej Holm soll seinen Posten aufgeben, sagt der Regierende Bürgermeister Michael Müller.

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Der Fall Andrej Holm: Die Koalition in Berlin ist beschädigt

Andrej Holms Stasi-Vergangenheit hat Rot-Rot-Grün belastet. Nun soll der Staatssekretär gehen. Obwohl sich die Linke selbstbewusst quergestellt hat. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Das war’s. Noch nicht mit Rot-Rot-Grün in Berlin, aber mit dem Staatssekretär Andrej Holm, der mit der Wahrheit über seine Stasi-Vergangenheit allzu leichtfertig umgegangen ist.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hat fast bis zur Selbstaufgabe gezögert, die eigene Position im öffentlichen Streit um die Causa Holm durchzusetzen, obwohl ihm die Rückendeckung aus der eigenen Partei und von den Grünen sicher war. Jetzt aber ging es nicht mehr anders, als den Staatssekretär aus dem Regierungsamt zu vertreiben. Alles andere hätte die Koalition in Berlin nicht länger ausgehalten.

Es ist ein Dreierbündnis, in dem die Linke bisher eine bemerkenswerte Rolle spielte. Schon in den Verhandlungen über den Koalitionsvertrag zeigte sich die Partei selbstbewusst und zielstrebig. Dahinter steckt mehr als die Freude über einen guten Wahlerfolg im vergangenen September – hier geht es um Grundsatzpositionen, um Weltanschauungen.

Linke auf Kurs

Von einem der Vorväter der Linken, dem italienischen Marxisten Antonio Gramsci, stammt die These von der kulturellen Hegemonie: dem Kampf der Ideen in Politik und Medien, um Herrschaftsstrukturen aufzubrechen. Der Mann hätte seine Freude an der Linken, die ihren Kurs, den sie die Wiederherstellung des Sozialstaats nennt, als Regierungspartei möglichst kompromisslos durchsetzen will.

Denn die Erinnerung an Rot-Rot schmerzt immer noch. Die Koalition mit der SPD hatte die Linkspartei die Hälfte ihrer Wählerschaft und viele Mitglieder gekostet. Bei der Berliner Wahl 2011 blieben 11,7 Prozent übrig. Es war das Ergebnis einer Entprofilierung. Rot-Rot war im Lauf der Jahre ein Klub von Freunden geworden, eine Art Einheitspartei, die von Klaus Wowereit dominiert wurde und deren linker Anspruch an der kommunalen Wirklichkeit gescheitert war. Für die Linke war es nicht so schlimm, wieder in die Opposition gehen zu müssen. Aber sie brauchte fünf Jahre, um ihren Stolz und ihre Identität wiederzugewinnen.

Beides ist gelungen. So weit.

Mit festem Weltbild und Durchschlagskraft

Denn strategisch geschickt hat die Linke in den Ressorts für Stadtentwicklung, Soziales und Kultur alle für sie wichtigen Posten mit Leuten besetzt, die nicht nur ein festes Weltbild, sondern auch Durchschlagskraft haben. Flankenschutz bekommen sie von zwei Fraktionschefs und einer Parteiführung, die notfalls knallhart sein können.

Von hinten drückt die Parteibasis, die anspruchsvolle. Sie hält von einem Regieren um des Regierens Willen gar nichts. Es ist davon auszugehen, dass im bevorstehenden Bundestagswahlkampf dieser Druck, dieses Bedürfnis nach dem aufrechten Gang, eher noch zunehmen wird. Denn die Linke will auch bei dieser Wahl hinter CDU und SPD als drittstärkste Kraft in der Hauptstadt einlaufen.

Schnell vergessen

Darum sollte sich niemand wundern, dass sich diese Linke im Fall Holm quergestellt hat. Allerdings ist der Preis hoch: Die erst fünf Wochen alte Koalition ist beschädigt, die Stimmung verdorben. Und der Staatssekretär war auch nicht zu halten. Jetzt beteuern natürlich alle drei Koalitionsparteien eilfertig, die schlimmen Dinge schnell vergessen und endlich ordentlich regieren zu wollen.

Das werden sich die Berliner aber ganz genau anschauen! Wenn es nicht klappt, werden im Kampf um die koalitionsinterne und um die öffentliche Hegemonie die Fliehkräfte schnell so groß werden, dass Rot- Rot-Grün auseinanderfliegt.

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