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Politik: Die Konservative Partei wird von der eigenen Vergangenheit dominiert

Die graue Maus röhrte, und das zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt für die britische Konservative Partei. Einen Tag vor dem Beginn des Parteitags im nordenglischen Seebad Blackpool veröffentlichte die "Sunday Times" die ersten Auszüge aus den Memoiren von John Major.

Die graue Maus röhrte, und das zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt für die britische Konservative Partei. Einen Tag vor dem Beginn des Parteitags im nordenglischen Seebad Blackpool veröffentlichte die "Sunday Times" die ersten Auszüge aus den Memoiren von John Major. Der Ex-Premierminister geht darin auf seine Vorgängerin Margaret Thatcher los, die laut Major in ihren letzten Jahren an der Macht die beiden Seiten ihrer gespaltenen Persönlichkeit nicht mehr unter Kontrolle gehabt habe.

Die Medien stürzten sich dankbar auf die Zwiste, zum Ärger von Tory-Chef William Hague, der den Parteitag von den Dinosauriern der Konservativen Partei überschattet sieht. Denn auch Margaret Thatcher blieb nicht inaktiv. Zum ersten Mal seit ihrem erzwungenen Rücktritt vor neun Jahren hielt sie wieder eine Rede, und heute wird die mittlerweile 74jährige ehemalige Premierministerin zusammen mit Norman Lamont an einem Anlass am Rande des Parteitags erneut fordern, dass der ehemalige chilenische Diktator General Augusto Pinochet freigelassen wird, der zur Zeit in London unter Hausarrest steht.

Und dann sind da noch die ehemaligen politischen Schwergewichte Michael Heseltine und Kenneth Clarke, die an ihrer europafreundlichen Haltung festhalten. Der ehemalige stellvertretende Premierminister sowie der Nachfolger von Norman Lamont als Schatzkanzler warnen davor, dass immer mehr Partimitglieder Austritt aus der EU fordern werden.

Da kann sich William Hague noch so anstrengen und ein neues politisches Programm vorstellen, in dem er die völlige Einstellung von Sozialhilfe für - so wörtlich - °arbeitsscheue Arbeitslose° fordert, andere stehlen ihm die Schlagzeilen. Und noch weniger hilft es, wenn Margaret Thatcher ihn nach Meldungen in verschiedenen Zeitungen etwas despektierlich als °Klein-Willie° bezeichnet (was die ehemalige Premierministerin jedoch dann wieder bestritt).

Hague muss sich allerdings nicht wundern, wenn andere für die großen Schlagzeilen sorgen. Die Partei ist nach wie vor ziellos, konfus und verwirrt. Nicht nur seit dem Beginn des Parteitages am Montag ist klar, dass die Tories zwar kritisieren, wo sie nur können - selbst dort, wo die Labourregierung das fortsetzt, was einst die Konservativen eingeführt hatten.

Die Strategiker der Konservativen Partei haben den Mitglieder des Schattenkabinetts angeraten, die Regierung zu attackieren, aber gleichzeitig die eigenen Absichten und Pläne zurückzuhalten in der Annahme, dass sie damit die Methoden von Labour zu Oppositionszeiten noch übertreffen können. Die Folge: Wahre Alternativen zur Politik der Labourregierung werden nicht angeboten, womit es nicht verwundert, dass die Tories in den Meinungsumfragen so weit zurückliegen. Der einzige Vorteil für Hague, so paradox er scheint: Keiner wird ihn als Parteichef herausfordern. Denn die Lage ist so schlecht, dass keiner eine Herausforderung wagen wird.

Martin Pütter

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