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Der Premier spricht zum Volk. Alexis Tsipras versucht alles, um die Griechen zu einem "Nein" beim Referendum zu bewegen. Damit spaltet er das kriselnde Land.

© Reuters

Die Krise in Griechenland: Alexis Tsipras spaltet - auch sein Land

Die Partner sind verärgert, das Volk ist verängstigt und die Aussichten so ungewiss wie noch nie. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras treibt ein riskantes Spiel. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Höhler

Wohin treibt Griechenland? Darauf weiß vermutlich nicht einmal Ministerpräsident Alexis Tsipras eine Antwort. Ihm scheinen die Regierungsgeschäfte mehr und mehr zu entgleiten. Ideologische Verblendung, politischer Dilettantismus, populistisches Sendungsbewusstsein: eine gefährliche Mischung. Ein Konzept, die eskalierende Krise in den Griff zu bekommen, ist nicht erkennbar. Oder folgt Tsipras einem raffinierten Plan?
Man muss kein Anhänger der in Athen so beliebten Verschwörungstheorien sein, um diesen Verdacht zu hegen. Vieles spricht inzwischen dafür, dass Tsipras eine „geheime Agenda“ verfolgt: den Abschied Griechenlands vom Euro, den Austritt aus EU und Nato. Wen wundert’s, wenn die Solidaritätsadresse des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro in der Athener Regierungszentrale Euphorie auslöst? Maduro hat die Griechen ermuntert, sich aus den „Fesseln des internationalen Börsenkapitals und des Internationalen Währungsfonds zu befreien“.

Wenn Tsipras an einer Einigung mit den Geldgebern gelegen wäre, hätte er sie in den vergangenen fünf Monaten erreichen können. Zuletzt lag man bei den Sparmaßnahmen offenbar nur noch um 60 Millionen Euro auseinander. Dass Tsipras die Verhandlungen dennoch platzen ließ, lässt nur den Schluss zu: Er will keine Übereinkunft. Bei jeder Gelegenheit hetzt er gegen die Gläubiger. Die Geldgeber aus den Euro-Staaten bezichtigt er der „Erpressung“, den Internationalen Währungsfonds nennt er „kriminell“. So redet nur jemand, der den Bruch will. Dass Tsipras im Wahlkampf gelobte, er wolle Griechenland im Euro halten, heißt nichts. Er musste so reden. Drei von vier Griechen wollen an der gemeinsamen Währung festhalten.
Ein Ergebnis der Volksabstimmung steht bereits fest, bevor die Wähler zu den Urnen gehen: Mit seiner Politik der Polarisierung hat Tsipras die Griechen gespalten. Diese Zerrissenheit schwächt das Land umso mehr, als die Regierung Tsipras mit allen Partnern in Europa gebrochen hat. Griechenland ist isoliert – ein Land ohne politische Freunde und Verbündete.

Das spüren die Griechen. Sie sind verunsichert und ratlos. Viele Wähler stehen aber auch vor einem persönlichen Zwiespalt. Einerseits will die überwältigende Mehrheit der Griechen am Euro festhalten. Andererseits wollen sie Nein sagen zu weiteren Sparmaßnahmen. Tsipras will dieses Dilemma ummünzen in ein Nein bei der Volksabstimmung. Der Premier ist dabei, sein Land in eine ungewisse Zukunft, ja ins Chaos zu führen. Vor einem Jahr war Griechenland auf dem Wachstumspfad, hatte Zugang zu den Kapitalmärkten. Seitdem Tsipras regiert, fällt das Land in die Rezession zurück. Bankenschließungen und Kapitalkontrollen sind ein Vorgeschmack auf das, was den Menschen bevorstehen könnte.
Wie soll Europa mit dem Referendum umgehen? Wahlempfehlungen, wie sie Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem mit seiner Warnung vor einem Nein abgab, sind kontraproduktiv. Egal wie die Abstimmung ausgeht: Europa darf den Griechen die Tür nicht zuschlagen. Selbst bei einem Nein gilt es, weiter an einer Lösung zu arbeiten, um dieses Land an der labilen Südostflanke Europas zu stabilisieren. Das gebieten schon die sicherheitspolitischen Interessen der Europäischen Union und der Nato.

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