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Der ehemalige Außenminister und Fraktionsvorsitzende der SPD, Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurden als Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages in Berlin vernommen.

© dpa

Die letzten Zeugen: Finale im Kundus-Untersuchungsausschuss

Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier erinnern sich vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss – und distanzieren sich vom früheren Verteidigungsminister Jung.

Von Robert Birnbaum

Rainer Arnold ist aufrichtig verblüfft. „Eigentlich haben wir gedacht, wir erfahren hier nichts Neues“, sagt der SPD-Verteidigungsexperte. Doch die letzte Zeugin hat dem Kundus-Untersuchungsausschuss des Bundestages eine Überraschung mitgebracht. Dass Angela Merkel es falsch fand, wie ihr damaliger Verteidigungsminister Franz Josef Jung tagelang darauf beharrte, bei dem Luftschlag auf zwei Tanklastwagen bei Kundus seien ausschließlich Taliban gestorben – das ist nicht neu. Doch dass die Kanzlerin ihrem Minister schon am Tag danach persönlich geraten hat, vorsichtiger zu formulieren – das wusste man bisher nicht.

Merkel lächelt freundlich, als sie den Sitzungssaal betritt, in dem der Verteidigungsausschuss jetzt seit Monaten versucht, die Vorgänge am 4. September 2009 und die politischen Folgen aufzuklären. Die Kanzlerin trägt Anthrazit, hat ein umfangreiches Manuskript dabei und nimmt das Gremium auch dann noch leidlich ernst, wenn einer die gleiche Frage zum dritten Mal stellt. Merkel hat so ihre Erfahrung mit Affären. In Sachen CDU-Spendenskandal hat sie schon mal in einer parlamentarischen Untersuchung ausgesagt. Sie weiß, das ist kein Ort für zu viel Flapsigkeit.

Also trägt Merkel detailliert vor: wie sie am Morgen nach dem Bombardement von zwei entführten Tanklastern, das Oberst Georg Klein in Kundus angeordnet hatte, sofort erkannt habe, dass da etwas Schwerwiegendes passiert war; wie sie angesichts widersprüchlicher Meldungen zur Zurückhaltung geraten habe, was die Frage von zivilen Opfern angehe; wie sie schließlich am Samstag, dem Tag nach der Bombennacht, nachmittags mit Jung telefoniert habe. Der habe gesagt, dass er eine gute Quelle in Afghanistan habe und einen Brief afghanischer Autoritäten, die beide zivile Opfer ausschlössen. Die Kanzlerin verwies auf gegenteilige Medienberichte. „Ich habe darum gebeten, dass alle Aspekte der öffentlichen Meinung berücksichtigt werden“, sagt Merkel. Jung brauchte noch fast einen Tag und ein weiteres Gespräch mit Merkel am Rande des CDU-Wahlkampfauftakts in Düsseldorf, bis er der nunmehr „dringenden“ Bitte folgte.

Mehr als dies Detail erfährt der Ausschuss freilich an Neuigkeiten nicht, was nicht nur an der Zeugin liegt. Redlich versuchen Arnold und sein SPD-Kollege Hans-Peter Bartels, Merkel irgend etwas zu entlocken, was nach Missbilligung ihres jetzigen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg klingen könnte. Vergebens versucht der Grüne Omid Nouripour, Merkel zu beweisen, dass die Regierung die von ihr versprochene „lückenlose Aufklärung“ ja logischerweise schon deshalb nicht geleistet haben könne, weil es diesen Untersuchungsausschuss gibt. Merkel sieht das anders. Die Nato habe den Vorgang umfassend aufgeklärt. Aber, wirft der Linke Paul Schäfer ein, der Nato-Bericht sei geheim! Das, sagt Merkel, sei schon richtig – aber Aufklärung heiße ja nicht, aus gutem Grund Geheimes öffentlich zu machen.

So ungefähr geht das weiter. Zwei Stunden hat vorher schon die Einvernahme von Frank-Walter Steinmeier gedauert, der damals Außenminister war. Der vorletzte Zeuge hat gar nichts Neues zu berichten gehabt. Nur der FDP-Abgeordnete Joachim Spatz hat etwas gelernt. Der hat in mittelscharfem Inquisitorenton wissen wollen, ob Steinmeier von einer bestimmten E-Mail an das Auswärtige Amt Kenntnis erlangt habe. Steinmeier guckt ihn mit einem Blick an, den man als zoologisch interessiert beschreiben könnte. Ob der Kollege ernsthaft glaube, dass ein Außenminister sein Handeln an einer E-Mail orientiere?

Um 19.18 Uhr will der SPD-Mann Fritz-Rudolf Körper von der Zeugin wissen, warum sie eigentlich jenen Feldjäger-Bericht von Guttenberg erbeten hat, den der zum Anlass nahm, den Luftschlag plötzlich militärisch nicht mehr angemessen zu finden. Merkel grinst. „Weil ich neugierig war!“ Körper kapituliert. Außerdem ist seine Fragezeit abgelaufen. Dann sind die Grünen noch mal dran, dann die Linke, die Grünen, die Linke, die Grünen. „Aber neue Fragen!“, ruft einer aus der Union. Es gibt nur noch eine neue Frage: War der Fall Kundus jemals Thema einer CDU-Wahlkampfbesprechung? „Nein“, sagt Merkel.

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