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Die Linke: Die versiebte Programmdebatte

Ihr Ziel lautete, "das beste Wahlprogramm aller Parteien" zu verfassen. Doch bisher gab es für die Linke nur Spott und Pannen. Als Reaktion hat der Wahlkampfmanager der Partei nun ein unfertiges Produkt veröffentlicht.

Von Matthias Meisner

„Das beste Wahlprogramm aller Parteien“ wollte sie schreiben, die Linke, „mithilfe ganz vieler Meinungen und Anregungen“. So hat Matthias Höhn im vergangenen Jahr den Anspruch formuliert, der Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter. Seit einer Woche liegt ein Entwurf vor. Die 87 von den Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger verantworteten Seiten tragen keinen Titel. Auch sonst hat die Linkspartei den Auftakt ihrer Programmdebatte versiebt.

Es fing damit an, dass die ersten Meldungen zum Entwurf schon über den Ticker der Nachrichtenagenturen liefen, als die Vorstandsmitglieder den Text gerade erst im E-Mail-Eingang hatten. Von der klaren Abgrenzung zu rot-rot-grünen Koalitionsoptionen sei „keine Rede mehr“, meldete die Deutsche Presse-Agentur (dpa) unter Berufung auf die „Welt“. Riexinger ärgerte sich über die „falsche Interpretation. Tags darauf rückte das „Neue Deutschland“ sie zurecht. Und zählte auf, dass die auch Oskar Lafontaine so wichtigen „roten Haltelinien“ sehr wohl enthalten seien: Die Linke werde sich an keiner Regierung beteiligen, die Personal- oder Sozialabbau vornehme, Infrastruktur privatisiere oder Kriege führe.

Bissig fügte das parteinahe Blatt hinzu, dass es der Linkspartei gerade schwerfalle zu sagen, mit wem sie „gemeinsam das Land verändern will“. Dies werde „noch weiter konkretisiert“, heißt es im Entwurf. Ein wunder Punkt: Zur Auseinandersetzung mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück liefert der Programmentwurf keine Idee – namentlich taucht er nicht mal auf. Allerdings heißt es, rot-grüne Regierungen, die große Koalition und die amtierende schwarz-gelbe Koalition hätten „mindestens eines gemeinsam“ – sie hätten die Steuern für Reiche sehr stark gesenkt.

Ihr Wahlprogramm hat keinen Titel. Die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger.
Ihr Wahlprogramm hat keinen Titel. Die Parteichefs Katja Kipping und Bernd Riexinger.

© dpa

Unter diesem Stichwort entwickelte die Linke ein Programm für Pannen bei der Propaganda. Aus der Partei wurde lanciert, Kipping habe im Entwurf ihre vor einem halben Jahr gestellte Forderung platziert, Einkommen ab 40.000 Euro im Monat „getrost mit 100 Prozent“ zu besteuern. Im Programm heißt es auf Seite 24 kaum anders: „Wir schlagen vor, dass niemand mehr als 40-mal so viel verdienen sollte wie das gesellschaftliche Minimum – bei der derzeitigen Verteilung wären das immer noch 40.000 Euro im Monat.“ Für die Online-Ausgabe der „Mitteldeutschen Zeitung“ steuerte Riexinger bei: „Ich nenne die Kappung der Einkommen bei einer halben Million Euro eine Demokratiesteuer.“

Das genügt, um die Linke binnen weniger Stunden zum „Steuermonster“ zu machen – die politische Konkurrenz spottete. Kipping hielt das nicht aus. „Im Gegenteil“, dementierte die Vorsitzende nun ihre eigene Forderung, man wolle eine 75-prozentige Besteuerung von Einkommen über einer Million Euro – ähnlich also wie Frankreichs sozialistischer Präsident François Hollande. Im Programmentwurf stehe „ausdrücklich nichts“ über eine 100-Prozent-Steuer, behauptete sie. Selbst das „Neue Deutschland“ lästerte nun über "die 500.000-Euro-Show“ der Partei.

Linken-Wahlkampfmanager Höhn zog entnervt die Notbremse. Inhalte des Textes würden „unkorrekt oder verkürzt“ wiedergegeben, schrieb er am Wochenende seinen Genossen. Die Mitglieder könnten "dieser öffentlichen Diskussion nur ratlos folgen". Höhn fügte hinzu: "Wir bedauern diese Entwicklung." Das unfertige Produkt stellte er ins Internet – als „momentanen Diskussionsstand“.

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