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Linken-Spitzenpolitiker Bernd Riexinger, Bodo Ramelow, Susanne Hennig-Wellsow und Katja Kipping (von links) nach dem Wahlsieg Ende Oktober in Thüringen.

© imago images/Jens Schicke

Update

Die Linke nach dem Rückzug von AKK: Angst vor dem Rechtsruck der CDU

Die Linke hat auf Annegret Kramp-Karrenbauer gesetzt, vergeblich. Die rasche Wahl von Bodo Ramelow will sie jetzt trotzdem. Eine Analyse.

Von Matthias Meisner

Es ist nicht so, dass die Linke jetzt voller Häme ist. Obwohl und vielleicht gerade, weil der angekündigte Rücktritt von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, ihr Verzicht auf die Kanzlerkandidatur, viel zu tun hat mit ihr. Sehnlichst hätte sich die Linkspartei gewünscht, dass es endlich ein entspanntes Verhältnis gibt zwischen ihr und der CDU. AKK hat dieses Problem nicht gelöst.

Vor allem Bodo Ramelow hätte sich diese Lockerungsübungen sehr gewünscht. Auf den verschiedensten Kanälen hat der inzwischen abgewählte thüringische Ministerpräsident für Pragmatismus geworben – mit dem Ziel, das Amt des Regierungschefs, das er seit 2014 hatte, zu behalten.

Sogar die Hilfe von Altbundespräsident Joachim Gauck konnte er zwischenzeitlich in Anspruch nehmen. Der ist eigentlich ein Linken-Hasser, und brachte doch Ramelow und den thüringischen CDU-Vorsitzenden Mike Mohring an einen Tisch, um einen Weg zur extraordinär schwierigen Regierungsbildung in Thüringen zu weisen. Ramelow fand auch im Thüringer Ex-Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU) einen Fürsprecher für den dunkelrot-schwarzen Dialog.

Wahl von Ramelow übernächste Woche?

Und denn will der Ex-Ministerpräsident jetzt auch möglichst rasch durchsetzen. Er setze dabei auf "klare Vereinbarungen" mit Teilen der CDU-Fraktion, sagt Ramelow am Montagmittag in Erfurt. Ein weiterer Stillstand in Thüringen sei "staatspolitisch verantwortungslos". Gespräche mit der Linkspartei soll es kommende Woche geben. Die Wahl des Ministerpräsidenten solle dann "möglichst in der darauffolgenden Woche" stattfinden, wie Ramelow sagt: "Dieser Wahl will ich mich stellen."

Bartsch: AKK-Rückzug folgerichtig

Der Rückzug von Kramp-Karrenbauer wird nun von Linken-Spitzenpolitikern eher mit Mitleid betrachtet. Zugleich gibt es Befürchtungen, der rechte Flügel in der CDU – namentlich der frühere Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz – könnte demnächst das Ruder in der Bundespartei übernehmen.

"Eine folgerichtige Entscheidung", sagt Linksfraktionschef Dietmar Bartsch dem Tagesspiegel zum Rückzug von Kramp-Karrenbauer: Die große Koalition im Bund "war und bleibt ein Fehler für das Land".

Zugleich sieht Bartsch "erstaunliche Parallelen zu Andrea Nahles", der frühere SPD-Vorsitzenden, die ebenso wie Kramp-Karrenbauer nach nur einem Jahr im Amt zum Rückzug gezwungen worden sei. Und der, wie jeder weiß, von Parteifreunden übel mitgespielt wurde.

Linke wirbt für Zusammenarbeit auch mit der CDU

Als konsequent bewertet Thüringens Linke-Chefin Susanne Hennig-Wellsow die Ankündigung der CDU-Bundesvorsitzenden. Sie kritisiert: "Die CDU hat sich mit der Gleichsetzung von Linkspartei und AfD in eine strategische Sackgasse manövriert. Frau Kramp-Karrenbauer hatte offensichtlich nicht die Kraft, der CDU hier einen neuen Weg zu weisen. Insofern ist ihr Rücktritt nachvollziehbar."

[Mehr zum Thema: Äquidistanz – das große Austeilen nach rechts und links]

Hennig-Wellsow sagt dem Tagesspiegel weiter, ein Blick nach Thüringen zeigt, wie absurd der Abgrenzungsbeschluss gegenüber der Linken sei. "Bodo Ramelow ist Demokrat durch und durch. Der Thüringer AfD-Chef hingegen ist der Antidemokrat schlechthin. Deshalb trennen Linke und AfD Welten. Die CDU muss das endlich begreifen und sich entsprechend verhalten." Die Linke sei offen für eine Zusammenarbeit, "wie sie unter Demokratinnen und Demokraten selbstverständlich sein sollte".

Kipping: Sirenengesänge der AfD finden in CDU immer mehr Gehör

Linken-Chefin Katja Kipping sagt dem Tagesspiegel: "Das Scheitern von AKK ist womöglich ein Indiz für den wachsenden Einfluss der (parteirechten) ,Werte-Union' und damit dafür, dass die Sirenengesänge der AfD in der CDU immer mehr Gehör finden."

Und ihr Ko-Chef Bernd Riexinger erklärt: "Das Debakel in Thüringen hat deutlich gemacht, dass Kramp-Karrenbauer ihre Autorität in der CDU längst verloren hat. Ihre Vorschläge zur Lösung der Krise konnte kaum noch jemand ernst nehmen."

Die CDU stehe jetzt erneut vor einer Richtungsentscheidung, meint Riexinger. Er warnt die Grünen: Mit Friedrich Merz als CDU-Vorsitzendem könnten sie sich "kaum noch eine Koalition mit der CDU offen halten".

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Thüringens CDU-Chef Mohring hatte nach der Landtagswahl Ende Oktober zunächst damit geliebäugelt, eine rot-rot-grüne Minderheits-Landesregierung unter dem erfahrenen und auch in seiner Partei recht beliebten Ministerpräsidenten Ramelow – dem ersten Linke-Politiker in diesem Amt – zu ermöglichen. Der Gegenwind aus dem Konrad-Adenauer-Haus war gewaltig.

Die Frage des Umgangs mit der Linken spaltete die Thüringen-CDU tief: Die einen wollten tolerieren, andere mit der AfD reden. Eine dunkelrot-schwarze "Projektregierung" fand keine Mehrheit.

Wenige Tage vor der Ministerpräsidenten-Wahl am vergangenen Mittwoch im Landtag beschrieb ein enger Mitarbeiter von CDU-Chef Mohring, wie ein FDP-Ministerpräsident von AfD-Gnaden ins Amt kommen kann. Die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Regierungschef mit Stimmen von AfD und CDU erschien nun als abgekartetes Spiel.

Verbot die Bundes-CDU Gespräche mit der Linken?

Am Freitagmorgen noch hatte Ramelow auf Twitter einen Tagesspiegel-Korrespondentenbericht verbreitet, laut dem die Krise in Thüringen längst zur Krise der ganzen CDU geworden sei.

Er kommentierte dazu: "Weil man dem Thüringer Landesverband strikt verboten hat, offen über eine Kooperation reden zu dürfen. Jetzt will es keiner gewesen sein. Fakt ist, ab dem 23.12.2019 habe ich mit @MikeMohring über verbindliche Varianten gesprochen, die 22 CDU-Punkte sollten die Grundlage sein."

Aber AKK konnte Mohring zu diesem Zeitpunkt offenbar schon nicht mehr helfen – oder wollte es nicht. Ihr saßen die West-Landesverbände im Nacken, die strikt gegen jede Annäherung an die Linke sind. Möglicherweise hat die Saarländerin auch tatsächlich nie richtig verstanden, wie der Osten der Republik tickt. Im Ergebnis wurde die thüringische CDU von der AfD getrieben, nicht von der Linken.

AfD will keine Neuwahlen, um CDU nicht zu schaden

Eindrücklich deutlich macht das auch ein von Björn Höcke und seinem Ko-Chef Stefan Möller unterzeichneter Mitgliederbrief der thüringischen AfD, der am Wochenende publik wurde. Darin wendet sich die AfD – ebenso wie die thüringische CDU – gegen Neuwahlen im Freistaat. Begründung: Die Gefahr sei groß, "dass die FDP aus dem Landtag vollständig verschwindet und die CDU sehr stark geschwächt wird. Das mag flüchtig betrachtet seinen Reiz haben, hat aber faktisch langwierig schwere Nachteile."

Es besteht "die Gefahr, dass bei Neuwahlen der linke Block im Landtag wieder eigenständige Mehrheiten erhält, selbst wenn die AfD stärker wird". Damit wären "alle Möglichkeiten, Verbesserungen für die Menschen in unserem Land durch gemeinsame Abstimmungen mit FDP und CDU zu erreichen, für weitere fünf Jahre ausgeschlossen".

CDU-Chef Mohring will nun eine Basiskonferenz

Der bekennende Protestant Ramelow hatte am Morgen noch den Tweet eines Berliner Zeitungskorrespondenten geteilt, der Vers 5,37 aus dem Matthäus-Evangelium gepostet hatte: "Eure Rede aber sei: Ja! Ja! Nein! Nein! Was darüber ist, das ist vom Übel." Es war auch seine Antwort auf das Hin und Her der CDU.

Mit dem dürfte es noch eine Weile weiter gehen. CDU-Chef Mohring ging auf die Offerten der Linken zunächst nicht ein. Stattdessen schlug er am Montagnachmittag auf Twitter vor, eine Basiskonferenz der CDU einzuberufen, um "über die Lage in unserem Land und über die Rolle der CDU als Volkspartei" zu diskutieren.

Sein Plan: "Das gibt jedem Mitglied unseres Landesverbandes die Möglichkeit, sich auch unabhängig unserer Gremien ganz persönlich mit ihrer/seiner Meinung einzubringen. Wir brauchen eine geschlossene Union. Miteinander reden, ist ein guter Weg."

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