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Politik: Die Macht der Minderheit

Die Sunniten wollen nicht wählen, sollen aber mitbestimmen. Und die Kurden sind für einen Bundesstaat

Die Wahl am Sonntag soll Irak die erste gewählte Volksvertretung und Regierung nach dem Sturz der Diktatur bescheren – und eine echte Verfassung. Doch während die Bevölkerungsmehrheit der Schiiten lange darauf gewartet hat, werden die meisten Sunniten nicht wählen. Die einflussreiche sunnitische Vereinigung Muslimischer Gelehrter hat zu einem Boykott aufgerufen. Sie verweisen auf den Kriegszustand und die ausländische Militärkontrolle. Hinzu kommen die Morddrohungen terroristischer Gruppen, welche sunnitische Wähler vom Gang in das Wahllokal abhalten werden. Das Wahlergebnis vom Sonntag wird also die Sunniten Iraks nicht repräsentieren, immerhin rund 20 Prozent der Bevölkerung.

Dies birgt die Gefahr, dass die Wahl den Zerfall Iraks zementiert. Innenminister Falah al Nakib warnte sogar vor einem Bürgerkrieg, falls die Sunniten sich nicht an der Wahl beteiligten. Um solche Szenarien auszuschließen, hat der Führer der so genannten schiitischen Wahlallianz, Abdul Asis al Hakim, den Sunniten bereits garantiert, dass sie trotz Wahlboykotts Posten in der neuen Regierung erhalten werden. Und die sunnitischen Organisationen, Vereinigung Muslimischer Geistlicher und Islamische Partei, haben angekündigt, dass sie nach den Wahlen zumindest bei der Ausarbeitung der permanenten Verfassung kooperieren wollen. „Das ist keine politische Frage“, sagt der Sprecher der Islamischen Partei, Ajad Samarrai. Ob sie sich auch an der Regierung beteiligen, werde von deren Programm abhängen. Damit scheint die Gefahr, dass die Sunniten, welche unter Saddam Hussein das Rückgrat von Armee und Verwaltung bildeten, völlig vom politischen Prozess ausgeschlossen werden, zunächst gebannt. Einige Beobachter gehen davon aus, dass die Wahlsieger dann möglicherweise unter stärkerem Druck stehen, die Vorstellungen der Sunniten in der Verfassungsdebatte zu berücksichtigen, als wenn diese in der Nationalversammlung eine überstimmbare Minderheit bildeten. Eine weitere Sicherung ist in der Interimsverfassung eingebaut. Im geplanten Referendum kann eine Zweidrittelmehrheit in drei der 18 Provinzen einen Verfassungsentwurf zu Fall bringen. Sunniten und Kurden kontrollieren jeweils drei Provinzen.

Damit hat auch die kurdische Minderheit, die mit einer Wahlallianz der beiden kurdischen Parteien antritt, ein Vetorecht. Davon will sie nötigenfalls Gebrauch machen. Die Kurden wünschen ein föderales System mit starken Rechten für die Bundesstaaten. „Außenpolitik, Verteidigung und Finanzen sind Sache des Staates, alles andere regeln die Regionen“, sagt der PUK-Politiker Noshirwan Mustafa. Und, besonders heikel: Sie erheben Anspruch auf die Stadt Kirkuk, in deren Umgebung die größten Erdölvorkommen des Landes liegen.

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