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Politik: Die Macht der Staudämme

Die Türkei hat zwar keine Bodenschätze wie Öl oder Gas, doch noch wichtiger könnte sich ihr reichlichster Rohstoff erweisen - Wasser. Trinkwasser hat die Türkei zu einer wichtigen Macht im Nahen Osten gemacht, ihr aber auch eine ganze Menge Probleme mit den Nachbarn beschert; selbst der Kurdenkonflikt hängt eng mit dem Wasser zusammen.

Die Türkei hat zwar keine Bodenschätze wie Öl oder Gas, doch noch wichtiger könnte sich ihr reichlichster Rohstoff erweisen - Wasser. Trinkwasser hat die Türkei zu einer wichtigen Macht im Nahen Osten gemacht, ihr aber auch eine ganze Menge Probleme mit den Nachbarn beschert; selbst der Kurdenkonflikt hängt eng mit dem Wasser zusammen. Die türkische Wasser-Macht stützt sich auf die Flüsse, die in den Gebirgen im Süden und im Osten des Landes entspringen. Die bekanntesten sind der Euphrat und der Tigris, die jenseits der türkischen Grenzen weite Teile Syriens und Iraks bewässern, bevor sie in den Persischen Golf münden.

Seit Jahrzehnten bauen die Türken im Einzugsgebiet von Euphrat und Tigris an einem riesigen System von Staudämmen und Kraftwerken. "Südostanatolien-Projekt", nach der türkischen Abkürzung kurz GAP genannt, heißt das 60-Milliarden-Mark-Projekt, mit dem Euphrat und Tigris gezähmt und nutzbar gemacht werden sollen. Mit den aufgestauten Wassermassen sollen die Felder im vorwiegend kurdisch besiedelten Südosten des Landes bewässert werden, während die Kraftwerke billigen Strom für neue Industriebetriebe liefern sollen. 22 Staudämme und 19 Wasserkraftwerke sieht das Projekt vor, das sich im Laufe der Zeit zu einem riesigen gesellschaftlichen Reformvorhaben ausgewachsen hat: Der zentral aus Ankara gelenkte GAP-Plan umfasst auch den Ausbau von Infrastruktur, Landwirtschaft, Ausbildung und Tourismus im armen Südosten.

Bis das Projekt abgeschlossen ist, sollen 3,5 Millionen neue Arbeitsplätze in der Region geschaffen und das Durchschnittseinkommen um das Fünffache gestiegen sein. Dadurch soll die Armut des Kurdengebiets gelindert und dem kurdischen Separatismus der Boden entzogen werden. Zugleich soll damit der chronische Energiemangel überwunden werden, der die Türkei als Land ohne eigene Ressourcen quält. Kein Wunder also, dass Ankara großen Wert darauf legt, das GAP-Projekt pünktlich zu 2010 fertigzustellen. Der größte Staudamm, der Atatürkdamm, ist seit zehn Jahren in Betrieb.

Doch die südlichen Anrainerstaaten sind vom Fortgang der Arbeiten weniger begeistert. Die Türkei erhält dadurch nämlich auch die Möglichkeit, die Wasserzufuhr nach Syrien und Irak zu kontrollieren: eine ungeheuer wichtige Trumpfkarte. Beide Länder erheben Ansprüche auf das Wasser, über das die Türken nicht alleine bestimmen dürfen. Die Anforderungen der drei beteiligten Staaten an den Euphrat belaufen sich auf rund 150 Prozent seines Wassers; beim Tigris sind es etwa 110 Prozent. Syrien und Irak verlangen Garantien von der Türkei, dass sie den jeweils beanspruchten Anteil auch nach Fertigstellung des GAP bekommen.

Die Türkei ist zwar durchaus bereit, den Nachbarstaaten Wasser zukommen zu lassen, will die Menge aber weit niedriger ansetzen. Ankara argumentiert, dass die Flüsse in der Türkei entspringen und überwiegend auch aus der Türkei gespeist werden. Zudem macht die türkische Regierung geltend, dass Syrien und Irak sowohl eigene Energierohstoffe als auch weniger Landwirtschaft haben als die Türkei und auf das Wasser deswegen nicht so dringend angewiesen sind. Das Problem der Wasserrechte sei auch keine Einbahnstraße, argumentiert Ankara. Beim Orontes, der in Libanon entspringt und durch Syrien in die Türkei fließt, liegt der Streit umgekehrt: Hier beschwert sich Ankara seit Jahren über die syrischen Staudämme, die nur noch ein Rinnsal für die südtürkischen Orangenplantagen durchlassen. Nicht nur in den Beziehungen der Türkei zu ihren unmittelbaren Nachbarn spielt das Wasser eine Rolle. Ankara verhandelt auch mit Israel und Jordanien über den Verkauf von Trinkwasser aus dem Fluss Manavgat.

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