zum Hauptinhalt
Wie grün ist das Investment? Ein lange geplantes Ökosiegel der EU verzögert sich weiter.

© Foto: Patrick Pleul/PA/DPA

Die Morgenlage aus der Hauptstadt: Wie nachhaltig ist meine Geldanlage denn nun?

Immer noch kein EU-Ökosiegel für „green investment“ +++ Lieber Harvard statt Bundestag +++ Was Deutschland für die Ukraine tut

Von Robert Birnbaum

Die wichtigsten Nachrichten aus Politik und Wirtschaft ab 6 Uhr morgens in unserer Tagesspiegel Morgenlage. Interesse? Dann hier kostenlos den Newsletter bestellen.

Eine schlechte Nachricht haben die Kollegen vom Background Energie und Klima für Sie, falls Sie beim Blick in die vorwurfsvollen Augen Ihrer Kinder darüber nachgedacht haben, Ihr kleines Sparguthaben ab jetzt klimafreundlich anzulegen: Es dauert noch etwas, bis Sie von der EU ein Ökosiegel für „green investment“ in Klimaschutz serviert bekommen. Im Moment kann jedes Finanzinstitut selber bestimmen, welche Kapitalanlage es als nachhaltig verkauft. Kunden können kaum nachprüfen, ob dahinter wirklich klimafreundliche Projekte stecken oder die bloß einen auf Öko machen.

Diesem „Greenwashing“ wollte die Europäische Union schon in diesem Jahr einen Riegel vorschieben und damit zugleich dafür sorgen, dass Geld vor allem in nachhaltige Investitionen fließt. Aber die Taxonomie, wie der Öko-Kriterienkatalog technisch heißt, wird wegen Differenzen zwischen Kommission, Mitgliedern und Parlament wohl erst 2022 wirksam. Ein aktueller Zankpunkt unter vielen: Ist Atomkraft schon nachhaltig, nur weil sie kaum CO2 verursacht?

Eine unerwartete Nachricht kommt von Sigmar Gabriel: Er gibt sein Mandat im Bundestag zum 1. November auf, aus „sehr persönlichen Gründen“. Der Ex-SPD-Chef ist vor kurzem 60 geworden, was er als beinahe magisches Datum empfindet – und als Chance, noch einmal etwas Neues anzufangen. Zwei Lehraufträge an den Universitäten Bonn und Harvard, die Arbeit als Redner und das Ehrenamt als Vorsitzender der Atlantik-Brücke beschäftigten und beanspruchten ihn zunehmend. „Beides – das Abgeordnetenmandat und diese neuen Aufgaben – parallel wahrzunehmen, halte ich nicht für vertretbar“, schrieb er an Freunde und Weggefährten.

Aber Gabriel wäre nicht der Alte, wenn er Nicht-Freunden unter den Weggefährten nicht zum Abschied noch eins mitgäbe. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt als Außenminister habe er den Eindruck gewonnen, dass die SPD auf Bundesebene seiner Möglichkeiten und Fähigkeiten nicht mehr bedürfe. „Und wenn man nicht mehr recht gebraucht wird, dann soll man besser gehen.“

Eine zwiespältige Nachricht für die CDU steckt in der Erklärung, mit der die schleswig-holsteinische Wissenschaftsministerin Karin Prien sich aus dem Twitter-Verbund „Union der Mitte“ zurückzieht. Prien war das Aushängeschild des Kreises, der sich voriges Jahr als liberales Gegengewicht gegen die erzkonservative „Werte-Union“ gegründet hatte. Die CDU-Frau kommt nach eineinhalb Jahren Twitter-Krieg zwischen beiden Lagern zu dem Schluss, dass Flügelbildung der Partei schade. Ihr Flügelchen hat sie mit dem Rückzug lahmgelegt: „Faktisch ist die Union der Mitte tot“, sagt einer der Verbliebenen.

Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer verliert damit zwar das Forum ihrer frühesten Unterstützer, wird es aber trotzdem nicht bedauern, weil sie diese Art der Auseinandersetzung nie gut fand in einer Volkspartei mit „Union“ im Namen. Das andere Flügelchen schlägt rechts eifrig weiter. Aber ohne das zweite, das ihm unfreiwillig viel Aufmerksamkeit verschaffte, flattert es sich womöglich auch nicht mehr so leicht.

Eine einzige schlechte Nachricht für Donald Trump ist das Protokoll, das ein Mitarbeiter über die Vorgänge rund um sein Ukraine-Telefonat aufgeschrieben hat. Der Whistleblower kennt sich offenkundig bestens in der Region aus, und seine Vorwürfe sind so massiv wie präzise: Die Gesprächsmitschrift, die Trump vorgestern hatte veröffentlichen lassen, sei lückenhaft und das Original so brisant, das die Mitarbeiter des Präsidenten es in einem supergeheimen Computersystem versteckt hätten. Trump erklärt nichts, sondern klagt über die „größte Hexenjagd der Geschichte“ und nennt den Enthüller prophylaktisch einen Typen, den man früher als Spion verhaftet hätte.

Das wäre alles nur wieder so ein irrer Traum, würde es uns nicht in zwei Punkten zentral betreffen. Erstens: Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist trotzdem der mächtigste Mann der Welt. Zweitens: Seine Methode, die Realität ebenso für bedeutungslos zu erklären wie politisch-moralische Standards, findet überall Nachahmer. Willy Brandt trat zurück, weil er sich dafür verantwortlich fühlte, dass ein Spion an seiner Seite nicht entdeckt worden war. Man könnte glatt nostalgisch werden.

Als altmodisch gilt ja neuerdings auch der Faktencheck. Die Wissenschaft hat nämlich nachgewiesen, dass jeder Versuch, Unfug zu widerlegen, das Gegenteil bewirkt: Wenn wir in unserem Online-Portal das Gerücht aufgreifen (und nach bestem Wissen und Gewissen widerlegen), dass es sich bei „Angela Merkel“ um ein reptilienartiges Monster handelt, das von einem unsichtbaren Raumschiff auf der Umlaufbahn des Mondes aus ferngesteuert wird, dann merken sich flüchtige Leser nur, dass nun also auch der Tagesspiegel Merkel für einen Alien hält.

Flüchtige Leser, sagt die Wissenschaft, sind im Internet die Regel. Ein flüchtiger Blick auf eine beliebige Berliner Straßenszene lässt eventuelle Zweifel sofort verstummen: So schnell kann man beim hektischen Blick aufs Smartphone zwischen zwei Ampelphasen gar nichts Vernünftiges ins browsende Hirn schaufeln. Wir sind aber lieber altmodisch als doof, darum zur Lektüre empfohlen: Warum Donald Trump einen ziemlichen Unsinn redet, wenn er im Telefonat mit dem ukrainischen Kollegen behauptet, dass Deutschland „nichts“ für die Ukraine tue.

Kommen wir ganz schnell zu Erfreulichem: Grund zu feiern haben heute Christina Buchheim (49 Jahre, Linke, Landtag Sachsen-Anhalt, Gratulation an christina.buchheim@dielinke.lt.sachsen-anhalt.de;), Ottmar von Holtz (58 Jahre, Grüne, Bundestag, Glückwunsch an ottmar.vonholtz@bundestag.de), Jens Koeppen (57 Jahre, CDU, Bundestag, gratulieren Sie unter jens.koeppen@bundestag.de),Roy Kühne (52 Jahre, CDU, Bundestag, Glück wünscht man an roy.kuehne@bundestag.de), Josef Schmid (eine runde 50, CSU, Bayerischer Landtag, Gratulation an josef.schmid@csu-mdl.de), Heiko Sippel (55 Jahre, SPD, Landtag Rheinland-Pfalz, Glückwunsch unter mdl.sippel@t-online.de), Susan Sziborra-Seidlitz (42 Jahre, Grüne Sachsen-Anhalt, Gratulation an sziborra-seidlitz@gruene-lsa.de), Michael Weinreich (46 Jahre, SPD, Hamburgische Bürgerschaft, Glückwunschmail an abgeordnetenbüero.weinreich@outlook.de)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false