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Politik: Die Moschee bleibt nicht im Dorf

Am Mittwoch tagt zum ersten Mal seit ihrer Eröffnung wieder die Islamkonferenz. Heißestes Eisen: Die rechtliche Rolle des Islam

Berlin - Vor hohen Erwartungen ist – einerseits – abzuraten: Wenn sich am Mittwoch zum ersten Mal seit der Eröffnung im September das Plenum der Deutschen Islamkonferenz trifft, wird nichts von Ewigkeitswert beschlossen. Schließlich ist das Unternehmen auf zwei bis drei Jahre angelegt und jetzt gerade ein halbes Jahr alt. Die 22 Mitglieder der Konferenz – Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden und je fünf Repräsentanten der organisierten und der nichtorganisierten Muslime – diskutieren am Mittwoch lediglich Zwischenergebnisse, auf die sich vier Arbeitsgruppen der Konferenz (siehe Kasten) nach einem halben Jahr Arbeit geeinigt haben.

Spannend dürfte es dennoch werden. Zum ersten Mal treten die Vertreter der vier größeren muslimischen Organisationen unter einem gemeinsamen Dach auf, dem Koordinationsrat der Muslime. Mit der Gründung vor gut zwei Wochen, der lange Verhandlungen vorausgegangen waren, entsprachen die Verbände einer alten Forderung der staatlichen Seite, die eine gemeinsame Telefonnummer des deutschen Islam anmahnte. Doch Politiker von Bund und Ländern zögern. „Langsam“, antwortete Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor einer Woche auf die Frage der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, ob nun der lange erwartete Ansprechpartner des Staates da sei. „Ein Verband“, sagt Schäuble, „ist noch keine Religionsgemeinschaft.“

Stimmt so nicht, findet Christian Walter, Juraprofessor an der Universität Münster und Fachmann für Staatskirchen- und Religionsverfassungsrecht. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts habe 2005 „eindeutig geklärt, dass auch ein Dachverband eine Religionsgemeinschaft sein kann“. Er darf sich nur nicht auf reine Koordination beschränken, sondern muss „einen Beitrag zur Identität in Glaubensfragen leisten“. Das dürfte den Verbänden relativ leichtfallen. Der Islam kennt keine Dogmen und liturgischen Vorschriften und über die elementaren sechs Glaubensartikel und die „fünf Säulen“ des Islam – die täglichen Gebete, das Glaubensbekenntnis, die Wallfahrt nach Mekka, Mildtätigkeit und das Fasten im Ramadan – sind sich Muslime in aller Welt einig.

Nach Ansicht des Juristen Walter könnte man den Muslimen auch den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts dann nicht mehr verweigern. „Die Verfassung selbst verlangt für den Körperschaftsstatus nur, dass die Religionsgemeinschaft durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet“, sagt Walter. Das lasse „hinreichend Spielraum, um auch Gemeinschaften anzuerkennen, die einen im Vergleich zu den christlichen Kirchen eher kurzen Zeitraum in Deutschland etabliert sind“. Es genüge, wenn man bei der Interpretation der deutschen Gesetze Rücksicht auf die Tatsache nehme, dass eine neue Religion hinzugekommen sei, die vor rund 90 Jahren – das Staatskirchenrecht geht auf die Weimarer Reichsverfassung von 1919 zurück – noch niemand in Deutschland auf der Rechnung haben konnte. Christen und Muslime seien „im Prinzip gleich zu behandeln“, sagt Walter. Und sie seien deshalb „in unser Religionsrecht einzubeziehen“.

Das sehen auch Schäubles Gesprächspartner am Mittwoch so: Die Arbeitsgruppe 2 der Islamkonferenz, die sich mit „Religionsfragen im deutschen Verfassungsverständnis“ beschäftigt, fordert in ihrem Arbeitspapier, das dem Tagesspiegel vorliegt, dass der Staat „strukturelle Voraussetzungen“ schafft, um seiner Pflicht zu „weltanschaulich-religiöser Neutralität“ nachzukommen und eine „gegenüber der gelebten Glaubensfreiheit aller Bekenntnisse offene und fördernde Haltung“ einzunehmen. „Religionsfreiheit und die individuelle und kollektive Wahrnehmung der daraus folgenden Rechte stehen den Angehörigen aller Religionen zu.“ Konkret fordert die Arbeitsgruppe, „dass islamischer Religionsunterricht als ordentliches Unterrichtsfach in deutscher Sprache an öffentlichen Schulen eingeführt“ wird – und nicht nur wie bisher in Modellversuchen.

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