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Politik: Die Nato auf der Suche nach ihrer Rolle

Gipfeltreffen in Riga – Soll das Bündnis weltweit die Interessen des Westens verteidigen?

Für die Gastgeber ist schon der Ort die Botschaft: Zum ersten Mal findet ein Gipfeltreffen der Atlantischen Allianz in einem Land statt, das vor 15 Jahren noch Teil der Sowjetunion war, dem großen Gegner der Nato im Kalten Krieg. „Wir werden in Riga die letzen Reste des Eisernen Vorhangs wegräumen,“ sagte Lettlands Präsidentin Vaira Vike-Freiburga mit spürbarer Genugtuung.

So wichtig das Gipfeltreffen des westlichen Bündnisses in der lettischen Hauptstadt für das Selbstverständnis der Balten auch sein mag – bahnbrechende Entscheidungen werden hier aller Voraussicht nach nicht fallen. Um über den Nato-Beitritt der Kandidaten Kroatien, Mazedonien und Albanien zu sprechen, ist es noch viel zu früh. Das wird frühestens 2008 geschehen. Vor allem aber sind die Themen, die am Dienstagabend und am Mittwochmorgen im Kreis der 26 Staats- und Regierungschefs zur Sprache kommen, so strittig, dass die knapp bemessene Zeit des Treffens in Riga nicht ausreichen wird, um zu einem vorzeigbaren, konkreten Ergebnis zu kommen. Im Unterschied zur Europäischen Union muss in der Nato nämlich in jedem Fall einstimmig entschieden werden.

Das aber ist bei den Themen, die auf der Tagesordnung des Riga-Gipfels stehen, derzeit nicht möglich. Vom „politischen Orientierungsrahmen“ für die Zukunft des Bündnisses über die Rolle der Nato in der Welt bis zur notwendigen Anpassung der Strategie in Afghanistan liegen die Meinungen und Interessen der 26 Regierungen zu weit auseinander. US-Präsident Bush will die Nato zu einem Bündnis machen, das weltweit die Sicherheitsinteressen des Westens verteidigt – eine Art Globalisierung der Nato. Dagegen regt sich in Europa Widerstand. Schon jetzt reicht das Engagement der Atlantischen Allianz vom Balkan über den Libanon bis ins ferne Afghanistan. Die Europäer fürchten, sich militärisch und finanziell zu übernehmen. Auch die neuen Mitgliedstaaten im Osten, die sonst am treuesten an der Seite der USA stehen, wehren sich gegen den US-Vorstoß zur Globalisierung des Bündnisses. Gerade die baltischen Staaten sind der Nato beigetreten, weil sie Schutz suchten. Schutz vor dem großen Nachbarn im Osten, von dem sie sich vor wenigen Jahren befreien konnten. Das Herz der Nato sei die Beistandsgarantie für alle Mitglieder, die „kollektive Sicherheit“, sagte die lettische Präsidentin Vike-Freiburga. Diesen Wesenskern des Bündnisses sehen die Balten gefährdet, wenn sich die Nato weltweit engagiere. Das gehe zulasten der Verteidigungsfähigkeit in Europa.

„Die Nato sucht nicht die Rolle eines globalen Polizisten“, versicherte Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer den europäischen Skeptikern, die vor einer Ausdehnung des Aktionsradius warnen. Die Nato brauche aber „globale Freunde, die an der Seite der Nato stehen“. Tatsächlich haben sich etwa australische Truppen den Internationalen Stabilisierungskräften in Afghanistan (Isaf) angeschlossen. Japan ist einer der größten Geldgeber des Wiederaufbaus. Man müsse darüber nachdenken, wie man Partner wie Australien, Neuseeland, Japan und Nordkorea an die Strukturen der Allianz binden könne, meint de Hoop Scheffer.

Die Nato hat jedoch nicht nur in Afghanistan großes Interesse an neuen Partnern und konkreter Unterstützung. Militärisch und finanziell ist die Allianz nämlich schon jetzt an ihre Grenzen gestoßen. Der Aufbau der Eingreiftruppe der Nato (NRF) bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die Krisenreaktionskräfte sind immer noch nicht völlig einsatzfähig.

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