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Politik: Die neue Lust am Erfolg

Von Markus Hesselmann

Deutschland hat gewonnen. Das Viertelfinalspiel gegen Argentinien – und schon jetzt die WM im eigenen Land. Im Duell der beiden bislang stärksten Teams dieses Turniers hat sich das stärkere durchgesetzt. Dass den Deutschen damit auch zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder ein Sieg über einen der Großen des Weltfußballs gelang, ist ein angenehmer Mitnahmeeffekt. Am wichtigsten ist: Die Mannschaft von Bundestrainer Jürgen Klinsmann sticht aus einer WM mit bislang wenig überzeugendem Fußball durch Frische, Offensivkraft und Mannschaftsgeist heraus. Sie hat Aura, sie reißt das Publikum mit. Und dann hat sie auch noch Erfolg. All das haben die wenigsten ihr vor der WM zugetraut.

Mit der Mannschaft hat das Land gewonnen, denn es ist mit ihr aufgebrochen. Ein weltoffenes Deutschland, ein gastfreundliches Deutschland, ein selbstbewusstes Deutschland, ein neues Deutschland – viel gehörte und geschriebene Attribute in diesen Tagen. Dem einen oder anderen Feingeist gehen sie schon auf die Nerven. Das macht sie nicht falsch. Das Land staunt über sich selbst, es hat einen freundlichen Patriotismus entdeckt, es hat bei seinen schwarz- rot-goldenen Fußballfeiern auf eine liebevolle Weise zu sich gefunden. Dieses Ergebnis ist großartig, doch die Gründe dafür liegen im Kleinen.

Das deutsche Team ist am ehesten vergleichbar mit einem jungen Unternehmen, dynamisch und kreativ wie eine Hinterhoffirma in Mitte – und genauso gefährdet. Es lebt von Projekt- und Teamarbeit, den Kennzeichen des Internetzeitalters. Der Deutsche Fußball-Bund dagegen steckte vor der Ankunft Jürgen Klinsmanns vor zwei Jahren noch in seiner schwerindustriellen Phase: Führungsfiguren mit Papa-Attitüde, dahinter graue Bürokraten. Es muss nun ja nicht gleich ein Ruck durch das ganze Land gehen, wie in diesen Tagen so oft gefordert und angeblich auch schon beobachtet. Das aktuelle Ruckeln im DFB und in der Bundesliga, die sich lange über Klinsmanns kalifornische Methoden lustig gemacht hat, könnte schon viel erreichen.

Klinsmanns WM-Projekt ist ein einziges Plädoyer gegen das Weiterwurschteln. Gerade in Zeiten knapper Ressourcen – und der deutsche Fußball verfügte aufgrund lange versäumter systematischer Nachwuchsarbeit zuletzt über äußerst knappe Ressourcen – sind Ideen am wichtigsten. Doch ihre systematische Umsetzung ist noch einmal wichtiger. Anschieben allein reicht nicht. Klinsmann will kein McKinsey-Mann sein, kein Berater, sondern ein Macher. Er hat es vorgemacht, einst als Spieler, jetzt als Trainer, dass man erst einmal an sich und seine Fähigkeiten glauben muss, um sich dann immer weiterzuentwickeln und immer mehr zu schaffen. Er hat seinen Spielern diesen Glauben vermittelt – durch seine eigene Glaubwürdigkeit. Wie ein Unternehmen, das sich um den wichtigsten Auftrag seiner Firmengeschichte bewirbt, stürzte sich Klinsmanns Team in die Arbeit.

Dass Ideen, Akribie und Glaubwürdigkeit zum Erfolg führen, das ist die Botschaft dieser WM, nicht das krampfige „Wir, wir, wir“ der Boulevardpresse. Es liegt ohnehin quer zum Empfinden der Menschen. Die neue Lust am Schwarz- Rot-Gold hat nichts mit Volksgemeinschaftsfantasien zu tun, sondern mit dem Spaß am Fußball – am erfolgreichen Fußball, am deutschen Fußball.

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