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Politik: Die Niederlagen kommen für Colombo im ungünstigsten Moment

Der Ausbruch der ungewöhnlich blutigen Kämpfe zwischen der srilankischen Armee und den aufständischen "Befreiungstigern" (LTTE), die für einen eigenen tamilischen Staat im Norden der Insel kämpfen, hätte für Präsidentin Chandrika Kumaratunga zu keinem ungünstigeren Augenblick kommen können als jetzt. Denn sie hatte die Präsidentschaftswahlen um fast ein Jahr, nämlich auf den 21.

Der Ausbruch der ungewöhnlich blutigen Kämpfe zwischen der srilankischen Armee und den aufständischen "Befreiungstigern" (LTTE), die für einen eigenen tamilischen Staat im Norden der Insel kämpfen, hätte für Präsidentin Chandrika Kumaratunga zu keinem ungünstigeren Augenblick kommen können als jetzt. Denn sie hatte die Präsidentschaftswahlen um fast ein Jahr, nämlich auf den 21. Dezember vorgezogen, in der Hoffnung, dass die relative Ruhe auf dem Kriegsschauplatz und womöglich ein spektakulärer Sieg der Armee ihre Chancen verbessern würde, das Land ins 21. Jahrhundert zu führen. Nun spricht die Armee von "einigen hundert Toten", in Colombo glaubt man gar, dass weit mehr als 1000 Soldaten getötet, verwundet oder vermisst sind (das wären fast zehn Prozent der kämpfenden Truppe), nachdem die tamilischen Rebellen zwei Stützpunkte in der Region Ampakamam, 300 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt, regelrecht überrannt hatten. Das sind die schwersten Verluste der Armee seit Jahren und eine Erinnerung daran, dass es in den fast 20 Jahren Bürgerkrieg jedesmal verfrüht war, die Tamilen-Rebellen als "fast geschlagen" zu erklären. Ganz im Gegenteil, die "Tiger" haben jedesmal dann zugeschlagen, wenn sie nicht nur militärisch, sondern auch politisch am meisten erreichen konnten. Sie tun das stets ohne Rücksicht auf eigene Verluste und werfen immer jüngere Kindersoldaten und sogar Mädchen in die Schlachten, weil ihnen die erwachsenen Kämpfer ausgehen.

Dies ist ein Bürgerkrieg, der im Westen keine Schlagzeilen mehr macht, zu sehr hat man sich in den vergangenen Jahren an das tägliche Sterben auf der tropischen Insel gewöhnt, die im Süden nach wie vor mit dem Tourismus den Hauptteil ihrer Deviseneinkünfte verdient, so als gäbe es den Krieg ein paar hundert Kilometer weiter gar nicht. Dabei vergeht praktisch kein Tag, an dem es nicht in den umkämpften Gebieten des Nordens und Ostens einige, manchmal auch Dutzende Tote gibt und immer wieder wird der Krieg auch mitten in die Hauptstadt hineingetragen, mit verheerenden Bombenanschlägen und Terrorattacken der berüchtigten LTTE-Selbstmordkommandos. Erst Anfang dieser Woche wurde auf offener Straße Ramesh Nadarajan erschossen, der Führer einer der tamilischen Parteien, die zum Frieden mit Colombo bereit sind. Vor wenigen Wochen starb auf gleiche Weise die wohl bekannteste moderate Stimme der Tamilen, der international angesehene Jurist Neelam Tiruchelvam. Nach und nach verschwindet so die ganze gemäßigte Führungsschicht der Tamilen. Übrig bleiben die Fanatiker der LTTE, die ganz auf ihren Führer Prabhakaran eingeschworen sind. Solange er lebt, wird es keinen Frieden auf Sri Lanka geben. Seine Bewegung, die mit einem legitimen Anliegen, nämlich dem Kampf um die Gleichberechtigung der Tamilen begann, hat sich längst zu einer skrupellosen Terrortruppe entwickelt.

Chandrika Kumaratunga, die Tochter der ersten Premierministerin des Landes, Sirimavo Bandaranaike, hatte ihre erste Präsidentschaft mit dem Versprechen gewonnen, sie wolle alles tun, um dem Land den Frieden zu bringen, und nicht mehr, wie ihre Vorgängerregierungen, auf eine militärische Lösung setzen. Die kriegsmüden Srilanker vertrauten ihrer Ehrlichkeit, doch die LTTE gab der ersten Regierungschefin, die wirklich bereit war, neue Lösungen für die Tamilen zu finden, keine Chance. Der Krieg zieht sich weiter hin und blutet das Land menschlich und finanziell aus, die Wirtschaft ist nach einem vielversprechenden neuem Aufschwung wieder weit zurückgefallen, Sri Lanka ist nach wie vor praktisch zweigeteilt. Immer noch gibt es keine direkte Straßen-, geschweige denn Eisenbahnverbindung in die den "Tigern" abgerungene nördliche Tamilenhochburg Jaffna, und die Lebensbedingungen der in die Stadt zurückgekehrten Flüchtlinge sind weiter miserabel.

Damit sieht es also nicht gut aus für eine Wiederwahl der Präsidentin, die ihrem Land den ersehnten Frieden nicht hat bringen können. Ob es freilich der Chef der oppositionellen UNP, Ranil Wickramasinghe, kann, ist noch fraglicher. Beide Kandidaten stehen vor einer Sackgasse. Denn sie müssen Frieden mit jemandem machen, der den Frieden nicht will.

Gabriele Venzky

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