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Bei den Auftritten des niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders sind die Sicherheitsmaßnahmen groß.

© AFP

Die Niederlande wählen: Zwischen Welt und Wilders

Die Niederländer wählen am Mittwoch ein neues Parlament. Was bedeutet die Abstimmung für Europa? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Es wird spannend in den Niederlanden. Viele Parteien liegen in den Umfragen sehr eng beieinander, weshalb es für sie sehr wichtig ist, ihre Wähler zu mobilisieren. Lange Zeit hatte auch zum ersten Mal in der Geschichte des Landes ein Rechtspopulist in den Umfragen geführt.

Wie wirkt sich der aktuelle Konflikt mit der Türkei auf die Wahlen aus?

Nach den Auseinandersetzungen in Rotterdam wegen des Auftrittsverbots für die türkische Ministerin Fatma Betül Sayan Kaya gibt es in den Niederlanden einen Gewinner: den amtierenden Ministerpräsidenten Mark Rutte von der rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD). Rutte hat sich als Staatsmann gezeigt, er hat klare Linien gezogen und sich nicht von der Türkei erpressen lassen. Abgesehen von der Piratenpartei haben alle Parteien das Verhalten der Regierung begrüßt.

In jüngsten Umfragen, die vor den Ereignissen in Rotterdam durchgeführt wurden, führt Ruttes Partei nun mit 16,2 Prozent. Die Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders verliert eher ein bisschen (13,4 Prozent), die Christdemokraten (CDA) holen auf (12,5 Prozent). Deren Spitzenkandidat Sybrand van Haersma Buma forderte am Sonntag ein Ende des Assoziierungsabkommens mit der Türkei. 71 Prozent der Niederländer unterstützen dieses Vorhaben laut einer Umfrage, die nach den Ereignissen von Rotterdam geführt wurde. Profitieren könnte auch die Migrantenpartei Denk. Diese lag vor den Ereignissen in Rotterdam bei 1,2 Prozent, danach kündigten jedoch einige türkischstämmige Niederländer an, sie wollten nun Europas erste Migrantenpartei wählen.

Warum ist die Wahl auch für Deutschland bedeutsam?

Der Rechtspopulist Geert Wilders will bei einem Wahlsieg den Euro abschaffen und die Europäische Union verlassen. Er hat sich über den Brexit und den Wahlsieg Donald Trumps in den USA gefreut und unterstützt Marine Le Pen, die Präsidentschaftskandidatin des Front National in Frankreich. Der Vorsitzende der Partei für die Freiheit ist einer der profiliertesten Populisten in Europa, sein Abschneiden könnte EU-weit Signalwirkung haben, auch für den Front National in Frankreich und die AfD in Deutschland.

Warum sind die Niederlande politisch so zersplittert?

Zugelassen zur Wahl sind 24 Parteien, von denen zwölf durchaus die Chance haben, mindestens einen Sitz im Parlament zu erringen. Die Niederlande kennen keine Fünf-Prozent-Klausel, sodass es relativ leicht ist, ins Parlament zu kommen. Traditionell gab es vor allem christliche Parteien wie die Reformierte Politische Partei (SGP) und die Christenunion (CU), die in der Regel nur auf ein paar Sitze kommen. In den vergangenen Jahren sind Klientelparteien wie die Partei für die Tiere (PvD) und die Partei 50Plus hinzugekommen.

Erstmals dabei sind die Migrantenpartei Denk und weitere Abspaltungen von Wilders’ PVV, die ja eigentlich auch nur aus einem Parteimitglied, nämlich ihm selber, besteht. Die Stärke seiner Partei beruhte lange Zeit darauf, dass die traditionellen Parteien wie die Sozialdemokraten (PvdA), die Christdemokraten und die liberalkonservative VVD des Ministerpräsidenten Mark Rutte einen enormen Vertrauensverlust erlitten hatten. Sie bewegten sich in den Umfragen auf dem Niveau der PVV oder sogar noch darunter. Zuletzt konnte sich die VVD allerdings wieder leicht von Wilders’ Partei absetzen.

Hinzu kommt, dass ungefähr die Hälfte der Wähler immer noch nicht weiß, wen sie wählen soll. Das macht die Umfragen zu einer unsicheren Angelegenheit. Diese sehen im Moment mindestens vier, wenn nicht sogar fünf Parteien, die sich nach der Wahl zu einer Koalition zusammenraufen müssten.

Warum ist die Vertrauenskrise so groß?

Eigentlich geht es der niederländischen Wirtschaft gut, die Krise ist überwunden. Doch der harte Reformkurs wurde teuer erkauft. Die jetzige große Koalition aus Liberalkonservativen (VVD) und Sozialdemokraten (PvdA) war keine Liebesheirat, sondern der Mehrheitsarithmetik geschuldet. Das hat dazu geführt, dass beide Parteien jeweils Beschlüsse gegen ihre eigene Programmatik gefällt haben, um die Koalition vor dem Zerfall zu retten. In den Augen viele Wähler haben gerade die Sozialdemokraten, aber auch andere Parteien, an Vertrauen verloren.

Was würde ein Wahlsieg Wilders' bedeuten?

Dass eine Partei die absolute Mehrheit erreichen wird, ist mehr als unwahrscheinlich. Alle Parteien aber – bis auf 50Plus – haben im Wahlkampf gesagt, dass sie keinesfalls mit Wilders koalieren würden. Über Mark Ruttes Entscheidung sagt man in Den Haag zwar, dass er die Tür zugeworfen, aber noch nicht abgeschlossen habe. Zudem wäre es in der niederländischen Demokratietradition ein Problem, die vielleicht stärkste Partei von der Regierungsbildung auszuschließen. Das wäre für das gesamte politische System eine knifflige Situation.

Wie gefährlich wäre Wilders für Europa?

Als einer der Gründer Europas haben die Niederlande immer zu dem Projekt gehalten. Jetzt aber lässt das Vertrauen in Europa nach. Im April 2016 sprach sich die Bevölkerung gegen das Assoziierungsabkommen der Europäischen Union mit der Ukraine aus. Da das Referendum nicht verbindlich war und es im europäischen Raum kaum möglich ist, sich quer zu den anderen 27 Mitgliedsstaaten zu stellen, konnte Mark Rutte den Volkswillen nicht umsetzen. Das hat die Tendenz, Europa als einen alles bestimmenden, bürokratischen Moloch zu bezeichnen, noch bestätigt. Die Niederländer glauben an Europa, 2016 haben sich laut Eurobarometer 72 Prozent positiv über die EU-Mitgliedschaft ausgesprochen, ihren Institutionen stehen sie aber bedeutend skeptischer gegenüber. Das größte Problem der EU sei die Immigration. Genau das ist auch das Thema, mit dem Wilders Wahlkampf macht: Er will die Grenzen schließen und plädiert dafür, die Niederlande aus der EU zurückzuziehen.

Wie wird der Wahlkampf geführt?

Die sozialen Medien spielen bei dieser Wahl eine bedeutende Rolle. Geert Wilders kommuniziert wie Donald Trump fast nur noch über Twitter. In Fernsehdebatten hat er sich lange Zeit nicht blicken lassen. Auch auf die Straße ging er bisher kaum. Das hat allerdings auch mit Sicherheitsmaßnahmen für seine Person zu tun. Ein zweites und neues Phänomen sind die Meetups der GrünLinks-Partei. Seit 2015 organisiert die Partei große Versammlungen, meistens in Konzertsälen, auf denen der Spitzenkandidat Jesse Klaver in ungezwungener Umgebung über den großen Umschwung, den die Partei für das Land vorhat, redet. Die Stimmung soll dabei vor allem positiv sein. Beim letzten Meetup vor der Wahl am Donnerstag waren die 5000 verfügbaren Plätze innerhalb weniger Tage vergeben.

Wie wählen die jungen Niederländer?

Die Meetups der GrünLinks-Partei sind besonders bei jungen Wählern populär. Das ist bemerkenswert, denn laut einer Umfrage von I&O Research sind die Jugendlichen zum Großteil nicht an Politik interessiert. Laut dieser Studie halten 31 Prozent die Politik für zu schwierig und mit 73 Prozent ist auch das Vertrauen in die Politiker weiter gesunken. Der größte Unterschied zu der Studie, die 2007 vom Innenministerium beauftragt wurde, ist aber, dass die Jugendlichen nicht länger links wählen. Vor zehn Jahren war der Gewinner in der Altersgruppe 18 bis 25 Jahre noch die linke Sozialistische Partei (SP) mit 26 Prozent. Jetzt aber wählen 27 Prozent die rechtspopulistische Partei von Geert Wilders.

Die verunsicherte Welt, mit einer Flüchtlingskrise und den Anschlägen in den europäischen Städten, ist nach Angaben der Forscher einer der Hauptgründe dafür. Von verschiedenen sowohl offiziellen als auch inoffiziellen Seiten sind deshalb Initiativen ins Leben gerufen worden, um die Jugendlichen zu überzeugen, sich an der Wahl zu beteiligen.

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