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Politik: Die Niedrigvoltstrahler

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben auf dem Weg zur Modernisierung der europäischen Wirtschaft das Tempo verringert. Die Widerstände in einigen Mitgliedsländern gegen eine entschlossene Liberalisierung lassen offenbar nur kleine Schritte in Teilbereichen zu - dies wurde während des EU-Gipfels in Barcelona deutlich.

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben auf dem Weg zur Modernisierung der europäischen Wirtschaft das Tempo verringert. Die Widerstände in einigen Mitgliedsländern gegen eine entschlossene Liberalisierung lassen offenbar nur kleine Schritte in Teilbereichen zu - dies wurde während des EU-Gipfels in Barcelona deutlich.

Nachdem Reibereien zwischen der EU-Kommission und Gerhard Schröder in den vergangenen Tagen Schlagzeilen gemacht hatten, räumten EU-Kommissionspräsident Romano Prodi und der Kanzler bei einem gemeinsamen Abendessen die Verstimmungen zwischen Berlin und Brüssel aus. Er habe den Eindruck, so erklärte Schröder nach dem Ende des Gipfels am Samstag, dass die EU-Kommission die "deutschen Sonderprobleme" begriffen habe.

Anstatt die völlige Öffnung der Energiemärkte bis 2005 zu beschließen, wie das die EU-Kommission ursprünglich vorgeschlagen hatte, begnügten sich die 15 Regierungen in Barcelona auf Druck Frankreichs damit, vorerst nur für die Wirtschaftsunternehmen die Strom- und Gasversorgung zu liberalisieren. Rund 60 Prozent des Energiemarktes wären damit schrittweise vom Jahr 2004 an für den Wettbewerb offen. Im nächsten Jahr soll über den entscheidenden nächsten Schritt entschieden werden: die Freiheit auch für die privaten Kunden, den günstigsten Energieversorger zu wählen.

Erst in der vergangenen Woche hatte sich das Europaparlament hinter die ursprünglichen Liberalisierungspläne der EU-Kommission gestellt und eine völlige Öffnung der Energiemärkte bis 2005 gebilligt. Dennoch gaben in Barcelona nicht nur die 14 anderen Regierungschefs, sondern auch die EU-Kommission dem Druck Frankreichs nach, das einen völlig freien Strommarkt ablehnt und auf einem garantierten öffentlichen Dienst auch bei der Stromversorgung beharrt. In wenigen Wochen finden in Frankreich Präsidentschaftswahlen statt. Da eine Öffnung des Elektrizitätsmarktes, der vom staatlichen Energieriesen EdF beherrscht wird, in Frankreich unpopulär ist, lehnen sowohl Gaullisten als auch Sozialisten eine zügige Liberalisierung ab. Die Verschiebung der Entscheidung für Privatkunden auf 2003 gibt ihnen nun mehr Zeit, die Veränderungen auf dem Markt vorzubereiten.

In seiner Schlusserklärung unterstrich der EU-Gipfel auf Wunsch Frankreichs ausdrücklich die "Bedeutung öffentlicher Dienste von hoher Qualität". Gleichzeitig hält er aber grundsätzlich am Ziel einer weitgehenden Modernisierung und Liberalisierung der europäischen Wirtschaft fest. Dies sei der Weg, um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen, die sich die EU beim Gipfeltreffen in Lissabon vor zwei Jahren gesetzt hatte. Die Regierungschefs hatten damals angekündigt, in zehn Jahren Europa zur wettbewerbsstärksten Region der Welt zu machen. Die EU solle dann leistungsfähiger werden als die USA.

Im Rahmen dieser Strategie haben die Staats- und Regierungschefs jetzt in Barcelona den Fachministern den Auftrag erteilt, noch im März dieses Jahres den konkreten Start das seit Jahren diskutierte Projekt zum Bau des europäischen Satellitensystems "Galileo" zu beschließen. Nach der Anschubfinanzierung mit öffentlichen Mitteln müsse das Projekt jedoch privat finanziert werden, sagte Bundeskanzler Schröder.

In einem gesonderten Absatz der Schlusserklärung forderte der Gipfel, dass die Regierungen bis spätestens 2010 die Hemmnisse beseitigen, die Frauen von einer Beteiligung am Berufsleben abhalten: In den EU-Ländern sollen dann für mindestens 90 Prozent der Kinder zwischen drei Jahren und dem schulpflichtigen Alter Kindergartenplätze bereitstehen, für mindestens 33 Prozent der Kinder unter drei Jahren angemessene Betreuungsmöglichkeiten.

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