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Politik: Die Partei verbindet strukturell mehr mit der CDU, als ihnen lieb ist (Kommentar)

Da kennt man die Grünen nun schon so lange, aber wundern muss man sich doch immer wieder. Zurzeit vor allem über zweierlei.

Da kennt man die Grünen nun schon so lange, aber wundern muss man sich doch immer wieder. Zurzeit vor allem über zweierlei. Zum einen können die einst im Flick-Skandal zu Ehren gekommenen Grünen aus dem Spendenskandal der CDU nicht den geringsten Nutzen ziehen, weder moralisch, noch gar in Form von Wählerstimmen. Zum anderen gelingt es der Partei offenbar auch beim zwölften Anlauf im zehnten Jahr nicht, ihre Strukturen grundlegend zu verbessern.

Nun kennt man die Grünen schon so lange, und doch entdeckt man an ihnen immer wieder etwas Überraschendes. Hier zum Beispiel, dass beides zusammenhängt. Die Unfähigkeit, von der Spendenaffäre zu profitieren, und die Unfähigkeit, die eigenen Strukturen zu verbessern, haben ein und denselben Grund: Unehrlichkeit.

Die wichtigste Lehre, die man aus der CDU-Geschichte ziehen kann, ist ohne Zweifel, dass nicht ein einziger Mann über Jahrzehnte eine Partei dominieren darf. Solange bis er selbst die Maßstäbe verliert und bis seine Parteifreunde ihre Zivilcourage einbüßen. Schließlich hätte es, um die verheerende Entwicklung der Union zu verhindern, genügt, wenn beizeiten jemand den Mumm gehabt hätte, in einer Sitzung zu sagen: "Du, Helmut, wir hätten da mal eine Frage zum Rechenschaftsbericht." Hätte irgendjemand in der Bundes-CDU oder in der Hessen-CDU bezogen auf Manfred Kanther diesen Mut zur rechten Zeit aufgebracht - was wäre der Partei und den Bürgern erspart geblieben.

Auf diesem Hintergrund müssten sich alle Parteien fragen, wie weit sie auf dem Weg zur Superdominanz einer Person schon fortgeschritten sind. Die FDP hat da derzeit sicher keine Probleme. Bei der SPD ist Gerhard Schröder noch nicht lang genug an der Spitze. Die PDS muss sich bereits genau prüfen: Erhebt sie ihren Gregor Gysi nicht zu sehr zum Kult. Und die Grünen? Sie sind unter diesem Gesichtspunkt sicher am meisten gefährdet.

Natürlich würde Joschka Fischer nicht straffällig beim Eintreiben von Spendengeldern. Seine Schwächen sind anderer Art als die von Helmut Kohl. Wie genau am Ende die schädlichen Auswirkungen einer solchen Dominanz aussehen werden, ist im Falle von Fischer und den Grünen schwer zu prognostizieren. Dass es einer Partei schadet, wenn zu Vielen von ihrem Oberen der Schneid abgekauft wird und wenn das Augenbrauen-Hochziehen eines Einzigen, das Schicksal anderer mehr beeinflusst als jede Sitzung ordentlicher Gremien das vermag - davon muss man nach der CDU-Affäre allerdings ausgehen.

Wie aber könnten die Grünen den Einfluss von Joschka Fischer begrenzen und gerade dadurch auf Dauer fruchtbar machen? Die grünen Realpolitiker können diese Frage nicht beantworten, weil ihnen schon verboten ist, sie überhaupt zu stellen. Rezzo Schlauch, der grüne Fraktionschef von Fischers Gnaden, sagt stattdessen merkwürdige Sachen zum Vergleich von CDU und Grünen. Beispielsweise, dass bei der CDU alles undurchsichtig gewesen sei, bei den Grünen aber alles vollkommen transparent. Wer die Grünen auch nur ein wenig kennt, weiß: Das ist natürlich nur ein schlechter Witz. Nein, der Vergleich von CDU und Grünen zeigt etwas ganz anderes und wunderbar ironisches: Man kann mit zwei formell völlig entgegengesetzen Parteistrukturen zu verblüffend ähnlichen informellen Machtstrukturen kommen. Extreme Misstrauenskultur und extreme Vertrauenskultur enden beide in der Monarchie.

Das könnten die Befürworter einer Aufhebung von Amt und Mandat bei den Grünen ihren Gegnern entgegenhalten, eben wenn es ihnen erlaubt wäre, das Problem Fischer überhaupt zu benennen. Denn das Ziel der Reform wäre ja, dass es an der Spitze der Grünen nicht mehr einen Alleinherrscher gäbe plus ein Dutzend mittelmäßig bedeutende Menschen, sondern einen Fischer plus drei aus eigener Kraft wichtige Leute, die ihm das Wasser reichen - und auch mal wegnehmen können. Das und nur das würde einen wie ihn kontrollieren und begrenzen. Das möchten begreiflicherweise jene vermeiden, die fürchten müssen, zu den sieben zu gehören, die künftig nicht mehr im grünen Machtsumpf mitwabern können.

Da die Realpolitiker dieses Argument aus den genannten Gründen nicht gebrauchen dürfen, kommen die Gegner der Reform jetzt mit ihrem äußerst flachen Gegenargument durch. Sie sagen, die CDU-Affäre zeige wie richtig die grüne Parteistruktur sei. Als ob die Trennung von Amt und Mandat nicht gerade die Superdominanz Fischers mit erzeugt hätte. Weil die Grünen in diesem Punkt weder ehrlich noch selbstkritisch sind, fehlt ihnen logischerweise der geistige Schwung, um die Union zu kritisieren. Und ihre professionell-glatte Empörung über die Schwarzen, nimmt den Grünen, anders als zuzeiten der Flick-Affäre, heute niemand mehr ab.

So können die grünen Spitzen nicht wirklich für eine grundlegende Parteireform werben und geben sie heimlich schon vor dem Parteitag verloren. Hinterher wird dann in den Augen der Fischer-Truppe bestimmt wieder Jürgen Trittin, der Sündenbock vom Dienst, an allem Schuld sein.

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