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Politik: Die Partei will zwar ganz modern sein, aber natürlich nicht so modern wie Gerhard Schröder

Gregor Gysi meint, die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Eine SPD, die sich der Mitte zuwendet, bietet einer sich als moderne sozialistische Partei gerierenden PDS die Chance, das Wählerpotenzial am linken Rand der SPD abzuschöpfen.

Von Matthias Schlegel

Gregor Gysi meint, die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Eine SPD, die sich der Mitte zuwendet, bietet einer sich als moderne sozialistische Partei gerierenden PDS die Chance, das Wählerpotenzial am linken Rand der SPD abzuschöpfen. So bohrt der Fraktionschef der PDS flugs mit zwölf Thesen genau in jener Wunde, die sich die Sozialdemokraten mit ihrem Schröder-Blair-Papier selbst zugefügt haben: Indem die PDS den Eindruck verschärft, die SPD vergehe sich mit ihrem vermeintlichen Schwenk hin zu einem neoliberalen Kurs an ihren linken Ur-Idealen, fegt er die Sozialdemokraten von dem Feld, auf dem sich die PDS breit zu machen gedenkt. "Gerechtigkeit ist modern", lautet die kaum zu widerlegende und in ihrer Indifferenz kaum zu überbietende Überschrift über Gysis zwölf Thesen. Soll heißen: Während die SPD mit Zugeständnissen an die Wirtschaft das Grundprinzip von der solidarischen Gesellschaft und dem Sozialstaatsprinzip aufgibt, baut die PDS ihr modernes Konzept gerade auf einem neuen Gesellschaftsvertrag auf, der starke Gegenkräfte zur hemmungslosen Entfaltung der Kapitalmächte organisieren soll.

Aber es gibt ein Problem: Weil die alten Slogans der Kommunisten marxscher Prägung, die in der Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln und der Absage an die Marktwirtschaft gipfelten, nicht mehr zu gebrauchen sind, muss der moderne Kommunist zwangsläufig in den sozialdemokratischen Gefilden wildern. So geißelt der PDS-Politiker zunächst das sozialdemokratische Konzept als einen Kurs, der auf Kosten sozialer Gerechtigkeit gehe, um selber ein finanzierbares Mehr an sozialer Gerechtigkeit in Aussicht zu stellen.

Da ist es schon angeraten, sich an die politischen Realitäten zu halten. Der Wahlkampfleiter der PDS, Andre Brie, warnt seine Partei davor, sich mit fundamentalistischen und orthodoxen Antworten auf die Fragen der Gegenwart zu isolieren. Und er räumt ein, dass seine Partei auf die Regierungsbeteiligung in Mecklenburg-Vorpommern überhaupt nicht vorbereitet war, weil sie im Wahlkampf mit vollmundigen, ganz und gar unrealistischen Versprechungen aufgetreten ist. Und noch immer stehe in den Wahlprogrammen der PDS auf Landes- und auf Bundesebene "ein Warenhauskatalog von allem Schönen und Edlen". Die Finanzierbarkeit und die Wechselwirkung von einzelnen Bereichen seien "völlig unterbelichtet".

Auch die Wähler werden registrieren, dass sich die PDS nicht entscheiden kann, woher sie sich ihre Theorien holt: aus dem sozialdemokratischen Pfandhaus oder aus dem marxistischen Antiquitätenladen. Bei den bevorstehenden Wahlen in Thüringen und Brandenburg scheinen die Zeichen deutlicher denn je auf Große Koalition zu stehen. Das hängt zweifellos auch mit der Gesichtslosigkeit der PDS zusammen, die sich bislang vergeblich als Abteilung Ost der SPD zu profilieren versucht.

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