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Politik: „Die PDS kommt im Westen nicht an“

Gregor Gysi über leere Vesprechungen von Müntefering, die Krise der Linken – und seine Zukunft

Lothar Bisky nennt in seinem neuen Buch als Perspektive für 2006 den Wiedereinzug der PDS in Fraktionsstärke in den Bundestag – damit man ihn, wie er schreibt, anschließend endlich in Ruhe lasse. Werden Sie dem PDSVorsitzenden da helfen?

Ich bin auch dafür, dass die PDS wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag kommt. Und zwar erstens, weil der Osten im Bundestag nicht mehr vorkommt. Und weil es zweitens im Bundestag eine Kraft geben muss, die dem neoliberalen Zeitgeist widerspricht. Die Frage ist dann, wie man dabei hilft.

Sie könnten als Spitzenkandidat antreten – und Bisky kann sich zurückziehen?

So wohl nicht. Wenn schon, dann wir beide. Bisky erinnert sich noch sehr genau, dass ich ihm gesagt habe, die Partei ist nur zu retten, wenn er wieder den Vorsitz übernimmt. Und jetzt fragt er mich natürlich, ob ich ihn 2006 hängen lasse. Das ist ein starkes Argument. Ich möchte auch nicht schuld sein, wenn die PDS im nächsten Jahr scheitert. Andererseits: Man wiederholt Leben nicht. Ich werde diese Frage erst Ende des Jahres entscheiden.

Macht die Kapitalismuskritik von SPD-Chef Müntefering die Sache für die PDS schwerer?

Im Gegenteil: Wir werden sogar wieder interessanter, weil die Kapitalismuskritik auch unser Thema ist. Müntefering baut wohl vor für 2006 – damit er auch nach einem Regierungswechsel im Bund Vorsitzender bleiben kann. Dazu muss er seine Partei rechtzeitig auf die Oppositionsrolle vorbereiten.

Prima Zeiten also für die PDS?

Für die PDS sind die Zeiten immer schwierig. Sie ist immer noch nicht im Westen angekommen. Wir bräuchten dort vier, fünf Prozent, um gegen den Neoliberalismus wirklich etwas erreichen zu können. Ich mache mir keine Illusionen mehr: Absehbar werden wir im Westen keine ausreichende Bedeutung haben.

Sie können den Coup ja vorbereiten: SPD-Enttäuschte wie Oskar Lafontaine und Ottmar Schreiner einsammeln, vielleicht auch noch ein paar Leute von der Linkspartei WASG?

Die PDS ist ja für alle diese Leute offen. Doch solche Linken im Westen haben der PDS gegenüber Hemmungen. Lafontaine und die anderen denken, dass sie eine Vergangenheit und Kultur erben, die nicht ihre eigene ist. Es war 1990 richtig und notwendig, die Partei fortzusetzen. Doch noch immer wirkt die PDS im Westen eher wie eine ausländische Partei. Personen werden durchaus akzeptiert, die PDS aber bleibt fremd.

Wäre dann nicht die neue Linkspartei der neue, bessere Ansatz?

Diese Westgründung wird im Osten kaum Anklang finden. Und ob sie überhaupt Erfolg hat, ist auch noch die Frage. Den klassischen Fehler der Linken haben sie schon gemacht. Ewig diskutiert, alle Debatten geführt. Und den Hunderttausenden, die auf sie warten, so nur gezeigt, dass sie sich wichtiger nehmen als die Probleme der Leute. Sobald die Leute merken, eine Partei interessiert sich überwiegend für sich selbst, sind sie weg.

Und Lafontaine, Schreiner? Werden die nicht nach einer verlorenen NRW-Wahl in der SPD bleiben und dort für Veränderungen streiten?

Wenn regiert wird, hat die SPD-Linke offenkundig nichts zu entscheiden. Das hat sich doch in den sechseinhalb Jahren seit 1998 herausgestellt. Daran wird sich auch nach dem 22. Mai nichts ändern. Schröder würde doch nach einer Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen keine andere Politik machen. Die nähme ihm auch niemand ab.

Entschuldigen Sie sich, weil Sie 2002 als Wirtschaftssenator von Berlin hingeworfen haben?

So würde ich das nicht formulieren. Es tat mir ja schon in dem Moment leid. Ich wollte ja nicht aufhören, hatte einiges vor in Berlin. Aber meine Wähler sollten nach der Bonusmeilenaffäre nicht den Eindruck haben, dass ich an einem Posten klebe. Vielleicht war das ja ein Fehler, vielleicht auch nicht.

Inzwischen ist die PDS in Berlin kaum noch zu bemerken.

Landespolitik ist ja inzwischen etwas gehobene Kommunalpolitik, man darf sich da nichts vormachen. Die Politik in Berlin ist eher kleinkariert, da genügt ein Blick in das Abgeordnetenhaus. Und da hat die PDS durchaus etwas dagegen getan. Sie hat auch Ängste abgebaut. Dass sie in Berlin mitregiert, weiß man sogar in Bayern. Und keiner fürchtet mehr sowjetische Panzer. Die PDS zeigt sich in der Hauptstadt als normal zu ertragende politische Kraft, links und sozial.

Sie reden erstaunlich wenig über Ihre lebensgefährliche Krankheit. Fühlen Sie sich denn wieder fit für ein Comeback in der Politik?

Wenn ich es machte, traue ich es mir auch zu. Aber dann nur unter veränderten Bedingungen. So wie ich mich damals verausgabt habe, von 1990 bis 2002, so könnte ich es nicht mehr. Viele Themen sind mir auch einfach nicht mehr so wichtig, andere aber besonders.

Das Gespräch führten Matthias

Meisner und Gerd Nowakowski.

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