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Politik: Die PKK meldet sich zurück

Ein Anschlag in Istanbul könnte der Auftakt für eine neue Gewaltwelle sein / Öcalan von Ankara enttäuscht

In der Türkei hat ein Sommer der Gewalt begonnen, der nach Befürchtung von Beobachtern die schlimmsten Kriegsjahre des Kurdenkonflikts in den Schatten stellen könnte. Die PKK brüstet sich damit, alleine in den letzten Tagen Dutzende türkische Soldaten getötet zu haben, und kündigte an, das sei nur das Vorspiel gewesen. Der türkische Generalstab versetzte die Truppen in Bereitschaft, das Innenministerium wies die Sicherheitskräfte an, sich zu wappnen. Die Türkei gehe einer neuen Phase der Gewalt entgegen, die alles Vorangegangene verblassen lassen werde, kommentierte die nicht zur Panik neigende Wirtschaftszeitung „Referans“.

Ausgelöst wurde die Eskalation durch den Rückzug des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan, der seine Hoffnungen auf eine Amnestie offenbar endgültig aufgegeben hat. „Weil ich keinen Gesprächspartner (in der türkischen Regierung) gefunden habe, ziehe ich mich zurück“, teilte der Rebellenchef kürzlich aus seiner Zelle auf der Gefängnisinsel Imrali mit. Das Kommando übertrug er an seine Statthalter Murat Karayilan und Cemil Bayik, beides altgediente Hardliner, die nicht lange fackelten und das Angriffssignal gaben: Jetzt beginne eine neue Phase im revolutionären Freiheitskampf, erklärte das Rebellenhauptquartier und drohte der Türkei mit „Vergeltungsschlägen“.

Aus heiterem Himmel kommt das alles nicht. Öcalan hatte seit März gedroht, die Rebellen von der Leine zu lassen, wenn seinen Vorschlägen nicht bald Gehör geschenkt werde. Der PKK-Chef hatte lange gehofft, von Ankara an den Verhandlungstisch gebeten zu werden, und die Rebellen deshalb am kurzen Zügel gehalten. Damit sei nun Schluss, erklärte Öcalan. Zwar wünsche er sich, dass Rebellen und Staat das Kriegsrecht achten, Zivilisten verschonen und Frauen und Kinder nicht anrühren, so Öcalan. „Aber ob sie das machen oder nicht, das weiß ich nicht. Die Verantwortung liegt jetzt bei ihnen.“

Nicht nur Öcalan selbst ist frustriert von den jüngsten Entwicklungen im Kurdenkonflikt. Trotz der groß angekündigten „Kurdeninitiative“ der türkischen Regierung gehe es nur bergab, klagen kurdische Aktivisten. Die Kurdenpartei DTP wurde im Dezember vom Verfassungsgericht verboten. In mehreren Verhaftungswellen wurden hunderte kurdische Aktivisten und Intellektuelle festgenommen.

Der türkische Innenminister Besir Atalay hat eine andere Sicht der Dinge: Das Notstandsrecht in den Kurdenprovinzen habe die Regierung aufgehoben, zählt er auf, die Terrorgesetze gelockert, das Verbot der kurdischen Sprache aufgehoben, kurdische Sender erlaubt und sogar ein kurdisches Staatsfernsehen eröffnet. „Wenn die Terrorangriffe nur mal nachlassen, dann werden wir noch mehr machen können“, schwört Atalay.

Doch danach sieht es vorläufig nicht aus, im Gegenteil. Fast täglich überträgt das türkische Fernsehen nun wieder die Beerdigungen kaum volljähriger Wehrpflichtiger, die von einer PKK-Bombe zerfetzt wurden. Und in Istanbul wurden am Dienstag 15 Menschen bei einem Bombenanschlag auf einen Polizeibus verletzt. Dieses Attentat geht möglicherweise ebenfalls auf das Konto der PKK. Der Krieg werde nicht auf die Berge begrenzt bleiben, hatte Öcalan vor seinem Rückzug gedroht: „Der Krieg wird auch auf die Städte übergreifen.“

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