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Politik: Die Problembrüder

Das Verhältnis zwischen Berlin und Warschau ist belastet – deutsche Politiker warnen die Kaczynskis

Von Matthias Schlegel

Berlin - Es ist nicht zum Besten bestellt um das deutsch-polnische Verhältnis. Während die zwei Staatsoberhäupter Horst Köhler und Lech Kaczynski bei der Siegerehrung zur Handball-WM auf dem Parkett der Kölnarena mit den ausgetauschten Fanschals den Eindruck von Harmonie vermitteln, gärt es auf dem politischen Parkett. Präsidentenbruder Jaroslaw Kaczynski hat am gleichen Wochenende, da sich die Sportler im Wettkampf maßen, die Rivalität der Nationen angefacht. Schon zuvor hatte Außenministerin Anna Fotyga in ein ähnliches Horn gestoßen wie der Premier. Von Geschichtsrevisionismus war da die Rede, von Assimilierungspolitik deutscher Behörden, von der Missachtung von Minderheitenrechten in Deutschland.

In politischen Kreisen in Deutschland ist man alarmiert, gleichwohl wird vor Panikmache gewarnt und auf die beständigen positiven Traditionen im deutsch- polnischen Verhältnis verwiesen. „Aus den jüngsten Äußerungen des polnischen Premiers Jaroslaw Kaczynski sollte man nicht schließen, dass das deutsch-polnische Verhältnis auf dem Tiefstand ist. Man kann lediglich daraus schließen, dass das Deutschlandbild der Kaczynski-Brüder nicht der Realität entspricht“, sagt Ruprecht Polenz (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Ein anderer Unionspolitiker, Friedbert Pflüger, der heutige CDU-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus und langjährige Vorsitzende der deutsch-polnischen Gesellschaft Bonn, wird deutlicher: „Ich leide sehr unter den Entwicklungen im deutsch-polnischen Verhältnis in den letzten beiden Jahren“, sagt er. Es sei „traurig“, mit ansehen zu müssen, „dass ein in 15 Jahren aufgebautes Vertrauen zu bröckeln beginnt“. Und dann wird Pflüger ganz grundsätzlich-diplomatisch: „Polen ist unser Frankreich im Osten. Für beide Länder ist es von eminenter Bedeutung, dass Frieden und Interessenidentität herrschen.“

Ruprecht Polenz setzt auf die Kraft der Überzeugung: Man müsse einfach deutlich machen, wie weit solche Vorwürfe an der Realität vorbeigingen. Wenn da polnische Medien zum Beispiel über angebliche Assimilierungsmaßnahmen gegenüber polnischen Kindern berichteten, müsse man die Wahrheit zur Kenntnis nehmen: Es gebe ganze drei Fälle, in denen nach einer Scheidung eines deutsch- polnischen Ehepaares die Begegnung zwischen dem polnischen Partner mit dem jeweiligen Kind nur unter Aufsicht des Jugendamtes gestattet wurde. „Das ist eine sehr seltene Maßnahme, mit der verhindert werden soll, dass ein Ehepartner das Kind zum Beispiel entführt. Damit der Mitarbeiter des Jugendamtes verstehen kann, worüber mit dem Kind gesprochen wird, muss auf Deutsch gesprochen werden. Das betrifft gleich gelagerte Fälle mit Bezug zu anderen Staaten genauso“, sagt Polenz. Und bekräftigt: „Das ist also eine aufs engste begrenzte familienrechtliche Maßnahme – im Übrigen durch Gerichte angeordnet –, aus der die polnischen Medien in willkürlicher Weise eine Germanisierungspolitik mit historischen Anlehnungen an die Aktion Lebensborn im Dritten Reich machen.“

Auch Kaczynskis Vorwurf des Geschichtsrevisionismus habe „nichts mit der Wirklichkeit zu tun“, findet Polenz. „Gerade die Erinnerung an die Jahre 1933 bis 1945 und die Frage, wie es dazu kommen konnte, ist fester Bestandteil des Schulunterrichts und der öffentlichen Diskurse.“ Pflüger hält die Vorwürfe für „absolut absurd“. Dies „schürt alte Ängste, die die Polen verunsichern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Kaczynski das selbst glaubt“, sagt er. Es müsse alles dafür getan werden, „dass solche Panikmache, solche Dämonisierungen keine Resonanz finden“. Muss die Bundesregierung also handeln? Pflüger meint: nein. „Die Regierung verdient Ermutigung dafür, dass sie sich durch populistische Äußerungen nicht provozieren lässt.“

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