zum Hauptinhalt

Politik: Die Queen in Berlin: Blickrichtung Britannien - Berlin kann mit Paris und zugleich mit London besondere Beziehungen pflegen (Gastkommentar)

Der Besuch der englischen Königin wird politisch wirken, und wenn er nur Anlass ist zur Bilanz. Wie steht es um das deutsch-britische Verhältnis?

Der Besuch der englischen Königin wird politisch wirken, und wenn er nur Anlass ist zur Bilanz. Wie steht es um das deutsch-britische Verhältnis? Gewiss, es ist unter seinen Möglichkeiten. Ganz klar: Die europäische Geschichte lehrt, dass Pflege und Entwicklungen des deutsch-französischen Verhältnisses die Lage bestimmen. Eine besonders enge deutsch-französische Vertrauensbeziehung ist im deutschen Interesse. Die positive Entwicklung des deutsch-britischen Verhältnisses ist aber ebenso im vitalen deutschen Interesse. Dass das eine nur geht, wenn man das andere vernachlässigt, ist eine bloße Erfindung.

Gegenseitige Beeinflussung, das Abgucken guter Erfahrungen ist erfolgreicher und überzeugender, wenn man den klugen Mix aller drei nationalen politischen Ansätze und Zugänge zur Problemlösung bewusst gemeinsam sucht. Man stelle sich vor, wie diese Demonstration der Gemeinsamkeit dem unruhigen Balkan imponieren würde. Diesem Stabilitätspakt wäre der Erfolg sicher. Der kluge französische Außenminister Védrine hat am Montag im "Spiegel" gesagt: "Ich verfechte die These, dass die gemeinsame europäische Außenpolitik von morgen stark sein wird, wenn die nationale Außenpolitik ebenfalls stark bleibt". Sein Satz gilt.

Die Sorge, dass Deutschland nicht genügend diplomatische Erfahrung und Raffinesse hat, ein Dreiecksverhältnis zum gemeinsamen Wohl zu gestalten, ist unbegründet. Auf keiner der drei Seiten gibt es gleichzeitig einen Mangel an Nachweisen von Europa-Treue. Auch Tony Blair hat erst kürzlich bei einer großen und wichtigen industriepolitischen Entscheidung trotz transatlantischen Drucks die europäische Variante durchgezogen. Er stemmt sich gegen die derzeit defensive britische Europa-Debatte. Blair setzt gegen die weit verbreitete Europa-Skepsis, dass es auch eine Win-Win-Situation geben kann, dass Gemeinsamkeit den Kuchen größer macht, den es zu verteilen gibt. Die gegenwärtige britische Regierung hat europapolitisches Vertrauen verdient.

Institutionen wie das britische Pfund, die in Frage gestellt werden, kämpfen um ihre Existenz. Auch in England zahlen die meisten längst mit Kreditkarten. Keine trägt das Bild der englischen Königin. Dass nun eine Kampagne für das Pfund Resonanz findet, die das Argument verwendet "das Bild der Königin auf unserer Währung retten", zeigt, dass auch in England bei der Währungsdebatte tiefe Gefühle aufgewirbelt werden.

Bis zur britischen Wahl ist es noch etwas hin. Trotzdem ist nachvollziehbar, dass auch Schatzkanzler Gordon Brown keine irritierende Debatte über den Euro will. Er will nicht ablenken von den handfesten wirtschafts- und finanzpolitischen Erfolgen. Zwei Drittel der Briten gehen davon aus, dass der Euro kommt. Die Gewerkschaften sind dafür. Die Industrie sowieso - aber auch die will für die Regierung die Kohlen nicht aus dem Feuer holen.

Deutsche suchen manchmal mit Leidenschaft in den britischen Medien nach Vorurteilen, um die eigenen Vorurteile zu pflegen. Gleichwohl muss festgestellt werden, dass die Berichte über Deutschland in der Regel von guter Qualität sind - und zahlreicher als über jedes andere europäische Land.

Tony Blair hatte einen zwei-, fast dreijährigen Honeymoon mit Öffentlichkeit und Medien. Die Relativierung der Gewählten kommt normalerweise viel früher. In den deutschen Medien kommt Blair gegenwärtig besonders schlecht weg. Aber niemand bezweifelt ernsthaft, dass er alle Chancen hat, die nächste Wahl erfolgreich zu bestehen. Tony Blair führt eine nachhaltige Debatte um den richtigen Mix zwischen wirtschaftlicher Notwendigkeit und sozialer Verantwortung. Es ist ein Fehlurteil, dass in Großbritannien keine tief greifenden Reformen anstehen, dass Thatcher schon das Wesentliche weggeräumt habe.

Blair steht durchaus vor schwerwiegenden Systemveränderungen. Es gilt, eine Dezentralisierungsstrategie zu entwickeln, eine Diversifizierung der Macht. Er will dabei sogar eine Art Wettbewerbsorientierung einziehen. Es hat schon Machtverteilung von oben nach unten gegeben. Schottland verfügt über eine eigene parlamentarische Versammlung, die sogar Steuerangelegenheiten regeln kann. Wales hat eine parlamentarische Versammlung, wenn auch ohne gesetzgebende Kompetenz, der Großraum London einen eigenen Bürgermeister.

Die Städtepartnerschaften zwischen deutschen und britischen Städten hatten eine paradoxe Wirkung. Die Briten kamen zurück und erzählten von weitergehenden kommunalen Rechten ihrer deutschen Partner. Nach dem Kriege wurden sie Deutschland - auch von den Briten - frei Haus geliefert zur Machtdiversifizierung.

Wenn man den Zugang der britischen, deutschen und französischen Regierung zum Problembündel analysiert, erkennt man eine deutliche Konvergenz. Die Finanz- und Wirtschaftspolitik hat kein Modernitätsdefizit. Blair weiß um die Mängel im Gesundheits- und Bildungswesen. Er weiß, dass der Markt soziale Korrektur braucht. Alle wissen, dass Sozialpolitik ohne ökonomische Basis unmoralisch ist, weil sie ein Kartenhaus bildet, das zusammenbricht und zukünftigen Generationen Chancen nimmt. Gleichzeitig wissen alle, dass Wirtschaftspolitik ohne sozialen Ausgleich auf Dauer erfolglos sein wird.

Die kontroversen Argumente der Debatte um die neue Synthese reflektieren mehr die nationalen Politiktraditionen, weniger die Realität der gesellschaftlichen Bedingungen. Für Deutschland ist es gut, in diesem Prozess der erkennbaren Konvergenz mitzuwirken. Pragmatismus und Realpolitik bedürfen sehr wohl der Ausrichtung an Grundwerten und Visionen. Es bedarf aber auch der Interpretation für das eigene Handeln, wenn man seine Bataillone sichern will. Die Zusammenführung aller drei nationalen Ansätze wird das Überzeugendste von allem sein.

Bodo Hombach

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false