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Politik: „Die Reporter empfinden einen Kick“

Der Medienforscher Jo Groebel über „Embedded Journalists“ und die Wirkung von Bildern auf die Wahrnehmung

Können Bilder einen Krieg gewinnen?

Auf jeden Fall. Ein Foto kann die eingefrorene Essenz eines ganzen Krieges wiedergeben. Nehmen Sie allein das Bild des nackten Mädchens in Vietnam, das vor den NapalmBombern wegläuft. Es ist für die Krieg führende Partei sehr wichtig, die Macht über ein einzelnes Bild zu bekommen, das die Quintessenz der Ressentiments gegenüber einem Krieg wiedergibt.

Welches könnte denn jetzt in diesem Krieg so ein entscheidendes Bild sein?

Die Bilder der gefangenen US-Soldaten sind sehr bedeutsam. Sie sprechen eine ganze Bandbreite von Gefühlen an. Ärger über die entwürdigende Behandlung, Mitleid und die Erkenntnis: Moment, das ist ein sehr brutaler, gar nicht abstrakter Krieg, der auch Amerikaner nicht verschont.

Warum sagt ein Bild so viel mehr aus als ein Wort?

Die Wirkung von Informationen läuft nicht vor allem über den Kopf. Wirklich berührt werden wir erst dort, wo fundamentale Reflexe angesprochen werden. Und zu denen gehört, dass wir erst über die Mimik eines Menschen Schmerz, Grauen, Angst mitbekommen – die echten Auswirkungen eines Krieges. Deshalb sind diese Bilder auch ein Politikum. Sie demonstrieren der Welt, dass ein Krieg mit Opfern verbunden ist. Gleichzeitig sind sie für die Amerikaner so brisant, weil sie ihnen zeigen: Menschen, die zu uns gehören, werden verstümmelt, beleidigt, verletzt. Auch wir sind verwundbar.

Diese Bilder erreichen verschiedene Adressaten – Amerikaner, Europäer, Iraker. Wenn US-Soldaten diese Bilder ihrer Kameraden sehen, wie wirkt sich das aus?

Eine Armee besteht aus unzähligen Charakteren. Nicht alle sind gleich tapfer, gleich klug. Die einen reagieren mit Wut und sagen, dass lassen wir uns nicht gefallen, jetzt müssen wir erst recht zuschlagen. Die anderen sagen sich, Mensch, das könnte uns morgen genauso passieren, und wollen so schnell wie möglich verschwinden. Diese Bilder wirken genauso unterschiedlich bei den Soldaten, wie sie es bei anderen Menschen tun.

Verstärken die Bilder also schon vorhandene Gefühle?

Das kommt ganz auf die Intensität an. Es gibt so etwas wie einen Kontrastreflex. Wir hatten zuvor einen eher abstrakten Krieg erlebt. Erst diese Bilder haben uns die brutale Wahrheit vor Augen geführt. Man weiß in den USA sehr wohl, warum man sie der amerikanischen Öffentlichkeit nicht zeigen wollte. Denn von den Amerikanern erwartet man einen so überwältigenden Sieg, dass erst Tausende sich ergebende Iraker zählen. Umgekehrt reichen aber richtig eingesetzte Bilder einiger weniger US-Soldaten aus, um dies als einen schwer wiegenden symbolischen wie realen Verlust der Amerikaner anzusehen.

Welchen Einfluss haben die Berichte und Bilder der so genannten „Embedded Journalists“, die die US-Truppen begleiten?

Die Faszination dieser Bilder entsteht – wie vom US-Militär bezweckt –, weil sie die Perspektive der Handelnden einnehmen und Stärke und Überlegenheit symbolisieren. Das sind Elemente, die in Reality-Shows funktionieren und jetzt auf den Krieg übertragen werden. Aber wenn ich die deutsche Presse betrachte, dann existiert eine starke Resistenz gegen diese Bilder, sie werden von den Kommentatoren hochgradig relativiert. Die Absicht der Amerikaner, die Meinung zu beeinflussen, hat das Gegenteil bewirkt.

Trotzdem scheinen die Journalisten selbst geradezu berauscht von ihren eigenen Bildern zu sein. Warum?

Das ist ein simpler Mechanismus. Die Reporter empfinden einen Kick, zu den Auserwählten zu gehören. Man ist privilegiert, hat eine Freifahrkarte für ganz vorne. Plötzlich mitten im Geschehen zu sein, entwickelt einen unglaublichen Sog. Und wohlgemerkt, inszeniert ist ja hier nichts. Die Leute sitzen ja auf Panzern, die real sind. Sie können ja nicht einfach von dort herunterspringen. Es ist an den Redaktionen, diese Bilder mit den entsprechenden Etiketten zu versehen.

Das Gespräch führte Ruth Ciesinger.

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