zum Hauptinhalt

Politik: Die Rückkehr der Terroristen

Taliban und Al Qaida setzen sich in Afghanistan wieder fest – eine Bedrohung auch für die Bundeswehr

Von Christian Böhme

und Frank Jansen

Die Lage wird kritisch: Trotz der aufwändigen Militäroperationen gegen Taliban und Al Qaida gewinnen beide Organisationen in Afghanistan wieder an Boden. „Wir beobachten mit Sorge, dass Gruppen aus Pakistan zurückkommen“, sagt ein hochrangiger deutscher Sicherheitsexperte, der ntlich nicht genannt werden möchte. Inzwischen seien sogar Ansätze für eine Reorganisation von Taliban und Al Qaida in Afghanistan zu beobachten. Es gebe außerdem Indizien, dass sich Osama bin Laden wieder in Afghanistan aufhalte. Eine Einschätzung, die auch der Afghanistan-Experte Michael Pohly von der Freien Universität Berlin teilt.

Die in Afghanistan stationierten Streitkräfte, darunter rund 1200 Soldaten der Bundeswehr, sind nach Auffassung deutscher Sicherheitsbehörden einer „beachtlichen Gefährdung“ ausgesetzt. Es gebe viele Hinweise auf geplante sowie auf begangene Anschläge, die meist von den Medien gar nicht wahrgenommen würden. „Die Sicherheitslage ist sehr angespannt“, sagt der Experte, „Afghanistan bereitet uns Sorgen“.

Taliban- und Al-Qaida-Kämpfer kehren offenbar vor allem aus den angrenzenden pakistanischen Regionen und Iran nach Afghanistan zurück. In den „Tribal Areas“, den Gebieten der paschtunischen Stämme im Westen Pakistans, konnten sich Tausende Gotteskrieger vor den Angriffen der Amerikaner und ihrer Verbündeten in Sicherheit bringen. Die Taliban selbst sind überwiegend Paschtunen, die Hilfe der Stammesbrüder in Pakistan ist ihnen gewiss.

Dies gilt auch für die mit den Taliban verbündete Al Qaida. Osama bin Laden habe nach dem Verlust der Bergfestung Tora Bora Ende vergangenen Jahres wahrscheinlich in der pakistanischen Grenzregion Waziristan Unterschlupf gefunden, heißt es in Sicherheitskreisen. Dort hätten ihn Paschtunen versteckt und Angehörige seines Clans aus Jemen sowie Saudi-Arabien in Obhut genommen. Auch sein Stellvertreter, der Ägypter Aiman Al-Sawahiri, sei bei den Paschtunen gelandet, sagt ein Fachmann.

Die Rückkehr von Taliban und Al Qaida bereitet der schwachen afghanischen Regierung unter Hamid Karsai zusätzliche Schwierigkeiten. „Der Präsident gilt als Marionette der CIA. Er hat keinen Rückhalt in der Bevölkerung“, sagt Pohly, der das Kabuler Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung aufgebaut hat. Sicherheitsexperten befürchten sogar, die militanten Islamisten planten gemeinsam mit Warlords in den östlichen afghanischen Provinzen einen Guerillakrieg.

Dem sei die Zentralregierung alleine nicht gewachsen. Der Aufbau von Armee und Polizei komme nur langsam voran, das Verhältnis zu den regionalen Kriegsfürsten sei problematisch. „Der Aufbau stabiler Strukturen in Afghanistan bedarf eines langen Atems“, sagt ein Sicherheitsfachmann. In mehreren Provinzen sei es sogar schwierig, humanitäre Hilfsprojekte zu verwirklichen – weil diese dazu beitragen könnten, die Macht der Warlords zu stärken.

Genügend Geld für Anschläge

Auch Michael Pohly hält die Situation im Lande für sehr bedrohlich. „Das Terror-Netz der Al Qaida ist nicht zerstört. Im Gegenteil. Es ist dichter geflochten, als wir angenommen haben." Die Strukturen der Islamisten seien weitgehend intakt. Das gelte auch für die Finanzen der Kämpfer. „Sie verfügen wie bin Laden noch über sehr viel Geld. Das macht sie aktionsfähig." Zudem hätten die Amerikaner bisher bestenfalls Terroristen aus der dritten und vierten Reihe dingfest gemacht. Die Al-Qaida-Führung sei weiterhin auf freiem Fuß. Und in Afghanistan wird nach Pohlys Erfahrungen wieder mit den Terroristen als Machtfaktor gerechnet. „Mich haben Grenzkommandeure schon gefragt, ob es nicht besser wäre, sich wieder mit den Al-Qaida-Leuten einzulassen, als mit der Regierung in Kabul."

NAME

Zur Startseite