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Politik: Die Schlachtordnung steht

Im US-Schuldenstreit zwischen Republikanern und Demokraten geht es ums ideologische Schaulaufen

Vor dem ungeliebten Kompromiss im Streit um Staatsausgaben und Schulden erlaubt sich Amerikas Rechte ein ideologisches Schaulaufen. Am Dienstagabend wollte die republikanische Mehrheit des Abgeordnetenhauses ein Gesetz beschließen, das nach offizieller Darstellung auf eine Lösung abzielt, tatsächlich aber den umgekehrten Zweck verfolgt: die Demokraten durch Zusatzklauseln zur Ablehnung zu zwingen und als Neinsager vorzuführen. Es hat keine Chance auf Zustimmung im Senat; dort haben die Demokraten die Mehrheit. Mit den Gesetzesentwürfen, die den Streit tatsächlich befrieden können, wird sich das Parlament frühestens gegen Ende der Woche befassen.

In gut 15 Monaten werden der Präsident und das Parlament gewählt. Mit Blick auf dieses Kräftemessen haben beide Lager spezielle Wünsche für die Schlachtordnung. Die Republikaner wollen als die einzige Partei dastehen, die für Ausgabendisziplin und einen ausgewogenen Haushalt eintritt; den Demokraten ist die Rolle der verantwortungslosen Geldverschwender zugedacht. Die Demokraten möchten umgekehrt die Republikaner als herzlose Gegner des Sozialstaats darstellen, die lieber die Renten und die Gesundheitsversorgung der Senioren kürzen, als der Ölindustrie und den Privatfliegern die üppigen Steuervergünstigungen zu streichen.

Der Entwurf, den das Abgeordnetenhaus im Lauf des Dienstagabends beschließen wollte, trägt den Titel „Cut, Cap and Balance Act“. Er enthält Kürzungen, die weit über den Sparhaushalt hinausgehen, den die Republikaner im Frühjahr beschlossen haben. Er legt eine Obergrenze fest, welchen Anteil vom Bruttoinlandsprodukt der Staat maximal an Steuern und Abgaben beanspruchen darf: unter 20 Prozent des BIP und damit deutlich weniger als derzeit. Und er sieht eine Verfassungsergänzung vor, die einen ausgeglichenen Haushalt vorschreibt. Dann wäre der Staat in Krisenzeiten, wenn die Steuereinnahmen zurückgehen, gezwungen, drastisch zu sparen und könnte keine Konjunkturprogramme finanzieren.

Das Online-Magazin „Politico“ analysiert, an der Vorlage sei „bemerkenswert, dass sie keinen Ansatz zum Kompromiss“ enthält – und das zu einem Zeitpunkt, wo man sich längst über mögliche Lösungen im Klaren sei und nur noch zwei Wochen bleiben, ehe Amerikas Insolvenz drohe. Es sei offenkundig, dass die Republikaner „gar nicht wollen, dass sie damit Erfolg haben“. Auch das „Wall Street Journal“, das die Forderung nach geringeren Ausgaben, niedrigeren Steuern und der Verkleinerung des Staats sonst unterstützt, kommentiert, der Entwurf sei „die falsche Lösung für die Schulden“. Er werde zu Recht scheitern, wie alle bisherigen Versuche, die Pflicht zu ausgeglichenen Budgets in die Verfassung zu schreiben.

Die meisten US-Medien stellen den Vorstoß der Republikaner als Ablenkungsmanöver dar. Ihr Ziel sei, dass die Demokraten mit Nein stimmen und sie dann im Wahlkampf sagen können, die Demokraten hätten das Prinzip eines ausgeglichenen Haushalts abgelehnt.

Parallel gehen die Gespräche über eine praktikable Lösung weiter. Präsident Barack Obama sprach am Sonntag mit dem republikanischen Parlamentspräsidenten John Boehner und dem republikanischen Fraktionsführer Eric Cantor. Die Initiative sei von Boehner ausgegangen. Obama sagte am Dienstag, man habe „Fortschritte erzielt“.

Obama drängt weiter auf eine „große Lösung“, die über die nächsten zehn Jahre vier Billionen Dollar aus dem Haushalt streicht, Einsparungen bei den Ausgaben für Renten und die Gesundheitsversorgung der Senioren vorsieht und höhere Staatseinnahmen durch Streichung von Abschreibungsmöglichkeiten erlaubt. In beiden Lagern sind starke Kräfte dagegen. Die Rechten wollen höhere Staatseinnahmen nicht mittragen, die Linken keine Kürzungen im Sozialen.

Immer wahrscheinlicher wird eine dritte Variante, die die Anführer beider Parteien im Senat, der Republikaner Mitch McConnell und der Demokrat Harry Reid, favorisieren: Der Kongress gibt dem Präsidenten das Recht, die Schuldenobergrenze bis Ende 2012 in drei Schritten um 2,4 Billionen Dollar zu erhöhen. Viele Republikaner werden das ablehnen. Sie hoffen aber, dass die Demokraten genug Ja-Stimmen beisteuern.

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