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Politik: Die SED-Nachfolgepartei wurde durch Unverbindlichkeit stark - das Sparpaket macht sie noch stärker (Kommentar)

Am 3. Oktober 2010, zur parlamentarischen Feierstunde aus Anlass des 20.

Von Matthias Schlegel

Am 3. Oktober 2010, zur parlamentarischen Feierstunde aus Anlass des 20. Jahrestages der deutschen Einheit im Berliner Reichstag: Der Vizechef der SPD/PDS-Fraktion Gregor Gysi erinnert an die Teilung Deutschlands als Ergebnis des Hitler-Krieges. Fünf Abgeordnete der SPD-Landesgruppe West und drei sozialdemokratische Abgeordnete der SPD/PDS-Fraktion aus dem Osten haben - wie immer bei Auftritten von PDS-Politikern - ebenso wie fünfzehn Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion den Saal verlassen. Bundestagspräsident Mierscheidt (SPD/PDS-Fraktion) gibt seinem Bedauern darüber Ausdruck, dass auch an solch einem symbolträchtigen Tag noch immer einige Ewiggestrige alten Feindbildern nachhängen.

Ist diese Vorstellung so abwegig? Wird die PDS irgendwann als eine Art CSU, als Regionalableger der SPD im Osten salonfähig, weil dort die SPD keinen Fuß mehr auf den Boden bekommt? Gegenwärtig steht nur fest, dass die seit Jahren totgesagte PDS sich bester Gesundheit erfreut. Als einzige aller Parteien hat sie seit Jahren kontinuierlich Wählerstimmen hinzugewonnen, hat sich in den neuen Ländern aus der Rolle des geduldeten, aber von allen gemiedenen Oppositionsbestandteils zur alleinigen Oppositionskraft (Potsdam), zum Oppositionsführer vor der SPD (Erfurt und Dresden) und gar zur Regierungspartei mit der SPD (Schwerin) emporgearbeitet. Gewiss, die SED-Nachfolgepartei hat dazu kaum selbst etwas beigetragen. Sie profitierte vielmehr in jedem Fall von den zum Teil extremen Verlusten einer der großen Volksparteien. Doch sagt das immerhin aus, dass die PDS offenbar als Alternative angenommen wird - FDP und Grüne nicht.

Es wäre verfehlt, die Wählerschaft der PDS heutzutage auf unverbesserliche Nostalgiker zu reduzieren. Deren Zahl steigt ja nicht an. Weil die PDS noch niemals in ihrer Parteigeschichte nachzuweisen vermochte, dass sie tatsächlich etwas bewegen kann, mag man am Demokratieverständnis derer, die ihr die Stimme geben, zweifeln. Aber viel spannender ist die Frage, was die PDS selbst aus diesem beträchtlichen Vertrauensvorschuss künftig machen wird.

Als die Partei in Schwerin ins Kabinett einzog, meinten viele, nun sei die Zeit gekommen, dass die PDS entzaubert werde. Nach einem Jahr kann davon nicht die Rede sein. Vielmehr erweist sich die Dehnbarkeit, man könnte auch sagen: Unverbindlichkeit der politischen Ansätze der SED-Nachfolgepartei als das eigentliche "Geheimnis" ihres Erfolges. Wogegen zahlreich vertretene Altstalinisten noch immer unablässig wettern, wird von Regierungsmitgliedern und Abgeordneten der Partei munter mitgetragen. Was visionäre Gerechtigkeitsfanatiker lauthals fordern, wird von pragmatischen Verantwortungsträgern sträflich ignoriert. In der PDS ist das alles möglich. Die Bedeutung ihrer Präsenz beschränkt sich zum großen Teil darauf, dass sie präsent ist - und Mehrheitsverhältnisse durcheinanderwirbeln kann.

Mit dem in den Wahlkämpfen immer wieder gegebenen Versprechen, nach dem Abdriften der SPD zur Mitte das einzige und wirkliche soziale Gewissen der Nation zu sein, verortet sich die PDS links von der SPD. Solcher Stimmenfang mag sich für die Partei noch eine Weile lohnen. Im Laufe der Debatte über Sparpaket und Gerechtigkeit werden antiquierte linke Antworten vermutlich am Ende wenig Chancen haben. Ein tragfähiger Kompromiss wird nicht wachsen aus der Annäherung von SPD und PDS, sondern aus der zwischen SPD und Union. Gerade daraus aber werden die SED-Nachfolger auf Bundesebene das Image als einzig konsequente Opposition noch eine Weile stärken.

Das könnte nicht nur ihre eigene Position in den östlichen Bundesländern fundieren, sondern ihr auch in den alten Ländern eine zunehmende Popularität verschaffen. Mit anderen Worten: So lange die SPD regierende Partei in Deutschland ist, wird die PDS ihr eigenes Profil stets gegen die SPD schärfen müssen. So lange zumindest dürfte die Vorstellung von der PDS als regionalem Juniorpartner der SPD auf Bundesebene abwegig bleiben.

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