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Politik: Die Soldaten gehen

Der Abzug könnte die US-Position in der Region schwächen und dem Iran nützen

Berlin - Wenn das irakische Parlament nicht um eine Verlängerung des Einsatzes bittet, werden die US-Truppen im Irak bis zum Jahresende abgezogen. Der wissenschaftliche Abteilungsleiter des Deutschen Orient-Instituts, Sebastian Sons, befürchtet, dass der Irak dann destabilisiert werden könnte: „Irakische Sicherheitskräfte sind noch nicht allein in der Lage, die Stabilität Iraks zu garantieren.“

Das US-Verteidigungsministerium erklärte gegenüber dem Tagesspiegel, dass der Beschluss frühestmöglich gefasst werden sollte, es aber kein Ultimatum gebe. Auch der neue US-Verteidigungsminister Leon Panetta forderte bei seinem Antrittsbesuch im Irak eine schnelle Entscheidung. Sons ist allerdings skeptisch: „Bereits die Regierungsbildung hat acht Monate gedauert. Zudem ist in wenigen Wochen Ramadan, ein Faktor, der das öffentliche und eben auch das politische Leben verlangsamt.“ In den USA wird befürchtet, dass ein Abzug der Truppen den iranischen Einfluss in der Region erhöhen könnte.

Achim Vogt hingegen, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Jordanien und Irak-Experte, misst den Iranern eine geringere Rolle zu: „Der Einfluss Irans ist bereits in dem Land, aber der Iran dominiert nicht, weil wichtige Gruppen wie Sunniten und Kurden diesen Einfluss ablehnen. Zudem bilden die Interessen von Saudi-Arabien und vor allem der Türkei ein starkes Korrektiv.“

Die US-Regierung würde angesichts der schwierigen Haushaltslage ein Ende des Einsatzes begrüßen. Das Pentagon erklärte, dass es aber bisher keine Anfrage der irakischen Regierung gegeben habe, daher alle Aussagen über einen Verbleib der Truppen rein spekulativ seien.

US-Medien berichteten zuletzt, dass der irakische Ministerpräsident Nuri al Maliki eine Stationierung der Einheiten über das Jahr 2011 befürwortet, dies aber nicht öffentlich erklärt. „Die irakische Regierung will die Unterstützung der USA, während die radikal Denkenden diese ablehnen“, sagt Sons. Ob der Einsatz vom Parlament verlängert werden muss oder von der Regierung im Alleingang entschieden werden kann, ist unsicher: „Die Zuständigkeiten über eine Entscheidung im Irak sind schlicht und einfach unklar. Aber selbst wenn die Regierung die Frage ohne das Parlament entscheidet, könnte die Koalition durchaus daran zerbrechen“, sagt Vogt.

Maliki war mit den Stimmen des schiitischen Predigers Muktada al Sadr gewählt worden. Sadr hatte jahrelang die US-Truppen mit seiner Mahdi-Armee bekämpft und drohte mit Gegenwehr, sollte sich der Abzug verzögern. Dabei spielen die US-Truppen militärisch inzwischen längst eine untergeordnete Rolle, sagt Vogt: „Die Anwesenheit der US-Truppen ist in erster Linie ein politisch-psychologisches Moment. Schon jetzt gibt es wenige amerikanische Checkpoints und keine gemeinsamen Patrouillen mehr.“

Im Irak sind derzeit noch 46 000 US-Soldaten stationiert. Nach Angaben des Pentagon beginnt der Abzug im Spätsommer. kav

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