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Die SPD in der Krise: Zuspruch und Yoga

Die Landtagsabgeordnete Dagmar Metzger bleibt dabei: Die hessische SPD-Chefin wird vorerst nicht Ministerpräsidentin.

Bis vor kurzem hat man Andrea Ypsilanti vor dem Sitzungssaal der SPD-Fraktion im Wiesbadener Landtag noch strahlen sehen. Ein Plakat aus dem Wahlkampf zeigte die Spitzenkandidatin der Hessen-SPD mit dem Lächeln der Siegerin und der Parole: „Die Zeit ist reif.“

An diesem Dienstagmorgen strahlt niemand vor der SPD-Fraktion, weder vom Plakat noch im richtigen Leben. Jedenfalls niemand mit SPD-Parteibuch. Nur der Slogan aus dem Wahlkampf ist auf seltsame Weise gültig geblieben: Die Zeit ist reif – und zwar für eine Entscheidung. Die aber liegt schon seit ein paar Tagen nicht mehr in der Hand von Andrea Yspilanti, der Fraktions- und Parteivorsitzenden der Hessen-SPD. Sondern bei Dagmar Metzger, der erstmals in den Landtag gewählten Abgeordneten aus Darmstadt.

Es ist elf Uhr, als sich die Frau mit den hochgetürmten blonden Haaren durch einen Pulk Fotografen in den Fraktionsraum kämpft. Sie trägt einen schwarzen Rock und ein rotes Bolero-Jäckchen, es sind die Farben der großen Koalition, aber das kann Zufall sein. Tatsache ist: Dagmar Metzger – 49 Jahre alt, Justiziarin der Darmstädter Kreis- und Stadtsparkasse, gebürtige West-Berlinerin, verwurzelt in sozialdemokratischen Familientraditionen, hat sich endgültig gegen Rot-Grün mit Hilfe der Linken entschieden – und damit auch gegen eine Ministerpräsidentin Ypsilanti. Sie wird ihr Direktmandat nicht zurückgeben. Sollten Ypsilanti und ihre Berater die Hoffnung zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgegeben haben, spätestens jetzt ist die Zeit reif, Rot-Grün mit Unterstützung von links auf Eis zu legen. Andrea Ypsilanti kann nun nicht viel mehr tun, als die Entscheidung ihrer Kontrahentin als Erste bekannt zu geben.

Nach fast dreistündiger Debatte in der Fraktion tritt sie vor die blauen Türen des Raums 510, wo die Sozialdemokraten in der Wahlnacht ihren Beinahe-Sieg gefeiert und bis in die vergangene Woche hinein den Wechsel geplant hatten. Ypsilanti steht jetzt ziemlich genau an der Stelle, wo kürzlich noch ihr Strahlefrau-Plakat hing. Sie wirkt gefasst und entschlossen, obwohl ihr Umfeld die Stimmung in der SPD-Spitze in diesen Tagen mit zwei Worten beschreibt: „Große Niedergeschlagenheit.“

Dagmar Metzger habe mitgeteilt, der Bildung einer rot-grünen Minderheitsregierung nicht zuzustimmen und ihr Mandat zu behalten, referiert Ypsilanti. Die Stimmung in der Fraktion sei „natürlich gedrückt gewesen“. Und: „Die anderen 41 Abgeordneten waren von der Entscheidung von Frau Metzger nicht begeistert.“ Die SPD wolle nun die von ihr im Wahlkampf vertretenen Positionen etwa zur Bildungspolitik als Anträge und Gesetzesinitiativen ins Parlament einbringen, um so „das Regierungshandeln zu beeinflussen“, kündigt Andrea Ypsilanti an. Sie ist jetzt ganz die kämpferische Oppositionsführerin: „Ich werde an dieser Stelle nicht weich und nicht weichen.“ Über die Verantwortung für die politische Bruchlandung der Hessen-SPD spricht Andrea Ypsilanti vor dem Sitzungssaal ihrer Fraktion nicht. Die hessischen Grünen haben es ihr und ihrer SPD aber schon am Vorabend schriftlich gegeben. „Die Ereignisse“, heißt es in einer Erklärung der Grünen-Führung um Tarek al Wazir, „offenbaren ein Maß an inhaltlichem Richtungsstreit und Unprofessionalität in der SPD, das wir nicht für möglich gehalten haben“.

Dagmar Metzger, die den Crash der Hessen-SPD nach Meinung mancher ihrer Genossen zu verantworten hat, wirkt an diesem Dienstag sehr mit sich im Reinen. Sie gibt nach der stundenlangen Debatte in der Fraktion am späten Nachmittag noch eine Pressekonferenz, mit der sie auch die allerletzte Hoffnung mancher Parteifreunde zunichte macht. Selbst bei einem Parteitagsbeschluss werde sie einer Minderheitsregierung die Stimme verweigern: „Nochmals eine klare Ansage für alle: Mit mir gibt es keine Regierungsbildung mit Hilfe der Linken.“ Und dann verrät sie noch, wie sie es trotz der Anfeindungen geschafft habe, fest zu bleiben. Die Unterstützung und der Rat prominenter Parteifreunde wie der Darmstädter SPD-Bundestagsabgeordneten und Bundesjustizministerin Brigite Zypries sei hilfreich gewesen, berichtet sie. Und der Zuspruch aus der Bevölkerung. 8000 E-Mails habe sie erhalten, überwiegend positiv. Und dann helfe gegen den psychischen Druck auch Yoga, sagt Dagmar Metzger: „Ich habe in den vergangenen Tagen viel Yoga gemacht.“

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