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Ein Partner, den sich niemand wünscht: Liviu Dragnea, Chef der SPD-Schwesterpartei PSD, ist in erster Instanz wegen Amtsmissbrauchs verurteilt.

© Otav Ganea/REUTERS

Die SPD und ihre Schwesterpartei in Rumänien: Nicht ganz so schlimm wie Orban?

Die Konservativen in Europa müssten sich vom Ungarn Orban distanzieren, fordert die SPD. Doch wie was tut sie selbst gegen Korruption in Bukarest?

Von Hans Monath

Gern reiben die deutschen Sozialdemokraten Salz in die Wunden der Europäischen Volkspartei (EVP) – etwa wenn sie der Parteienfamilie von CDU und CSU vorwerfen, sie sei zu nachgiebig mit antiliberalen und autokratischen Tendenzen der Fidesz-Partei von Ungarns Regierungschef Viktor Orban. Dabei haben die Genossen auch ein Sorgenkind in ihrer EU-Familie der Sozialisten und Sozialdemokraten, nämlich die rumänische Partidul Social Demokrat (PSD), deren Regierung gegenwärtig die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Die steht in der Kritik, weil sie Korruption duldet und mit einer Milderung des Strafrechts korruptionsverdächtige Politiker schützen will, darunter den PSD-Chef Liviu Dragnea. Der ist in erster Instanz wegen Amtsmissbrauchs verurteilt.

Am Donnerstag dieser Woche wurde das Problem der Sozialdemokraten mit ihren rumänischen Parteifreunden noch etwas größer. Da nämlich kritisierte die EU-Kommission eine Strafanzeige, die bei rumänischen Behörden eingegangen war. Erstattet hatte sie eine Firma, die regelmäßig das Vorgehen der Justiz gegen rumänische Politiker kritisiert. Die Anzeige wegen Bildung einer „kriminellen Vereinigung“ richtet sich unter anderem gegen den Vize-Präsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans. Den Niederländer wollen die europäischen Sozialdemokraten (SPE) an diesem Wochenende in Madrid zu ihrem Spitzenkandidaten für die Europawahl machen. Pikant auch: Die Anzeige wurde an eine neue Sondereinheit der rumänischen Staatsanwaltschaft weitergeleitet, die von Brüssel kritisiert wird, weil die Regierung sie per Eilverordnung der Kontrolle des Generalstaatsanwalts entzogen hat.

SPD-Europa-Spitzenkandidatin Katarina Barley legt Wert darauf, dass Orbans Fidesz-Partei gefährlicher sei als die rumänische PSD. Die Korruptionsvorwürfe und der Umgang damit seien „furchtbar“, sagte sie dem Deutschlandfunk. Aber es sei "natürlich ein Stück weit etwas anderes, als wenn man die Axt an die Grundwerte der Europäischen Union legt" und die gesamte EU verändern wolle, "wie das Orban und auch die Polen tun wollen". Zudem hätten die Sozialdemokraten ihren rumänischen Genossen schon Konsequenzen angedroht: "Frans Timmermans ist sehr, sehr klar an dem Punkt, und er hat auch schon angekündigt, wenn sich das Verhalten der rumänischen Kolleginnen und Kollegen so fortsetzt, dass ein Ausschluss aus der sozialdemokratischen Gruppe erfolgen wird."

Barleys Ko-Spitzenkandidat Udo Bullmann sagte dem Tagesspiegel: "Wir erwarten, dass die rumänische Regierung europäisches Recht respektiert und umsetzt." Es sei unklar, ob die Beschwerden gegen die EU-Kommissare überhaupt zulässig seien. Die sozialdemokratische Fraktion im Europaparlament (EP) habe eine Debatte zu Rumänien im Oktober eingefordert, eine Resolution im November veranlasst und mitgetragen, sagt Bullmann, der ihr vorsteht. Die Fraktion erwarte, dass Bukarest die Empfehlungen der EU-Kommission und der Venedig-Kommission zur Garantie der Rechtstaatlichkeit und der europäischen Werte umsetze. Darauf habe sie Rumäniens Ministerpräsidentin Viorica Dancila bei deren Besuch in der Fraktion klar hingewiesen. Auch in der EP-Debatte zum Beginn der rumänischen Ratspräsidentschaft hätten Sozialdemokraten unterstrichen, "dass Rechtstaatlichkeit und die Verteidigung der Bürgerrechte in jedem Mitgliedstaat, unabhängig davon, wer die Regierung stellt, jederzeit zu beachten sind". Anders als Timmermans drohte Bullmann der PSD aber nicht mit Ausschluss.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Detlef Müller, einer der Vorsitzenden der Parlamentariergruppe „Bulgarien, Moldau, Rumänien“, geht weit härter mit den rumänischen Genossen ins Gericht. Er sei der Meinung, dass die PSD "keine Schwesterpartei ist", sagte er im November der Deutschen Welle. "Wenn man sieht, welche Politik die PSD konkret vertritt, gegen Minderheiten, homophob, eigentlich auch anti-europäisch, dann sehen wir, dass wir in Bezug auf unsere Grundwerte auf keiner gemeinsamen Basis stehen". Einen Ausschluss will aber auch er noch nicht in den Blick nehmen: "Das wäre ein sehr kategorischer Schritt", sagte er: "Familienmitglieder stoßt man nicht so einfach fort." Müller wünschte sich in dem Gespräch, dass sich der Vorstand der SPD "deutlich positioniert".

Liberale und Union nehmen die SPD um so härter in die Pflicht. "Die rumänischen Sozialdemokraten stehen unter der Kontrolle des vorbestraften Wahlbetrügers Liviu Dragnea, der schon seit langem die Anti-Korruptionsmaßnahmen im Land sabotieren will", sagte der Vizechef der FDP-Fraktion im Bundestag, Alexander Graf Lambsdorff, dieser Zeitung: "Die deutsche SPD darf das nicht schweigend übergehen." Von ihrer Spitzenkandidatin Katarina Barley sei dazu noch nichts zu hören gewesen, monierte der Liberale: "Dabei müsste sie als Justizministerin doch wissen, wie wichtig das Vertrauen in den Rechtsstaat ist."

Ähnlich hart urteilt die deutsche Europaabgeordnete Inge Gräßle (CDU). "Das Schweigen der SPD zu den haarsträubenden Vorgängen in Rumänien zeigt, dass es ihr nicht um Rechtsstaatlichkeit und europäische Werte geht, sondern stets um parteipolitische Kritik", erklärte sie.: "Parteigenossen dürfen bei ihr alles - und damit macht sie sich selbst und ihre Kritik an anderen Parteifarben, etwa an Ungarn und Orban oder an Polen unglaubwürdig." Es sei "höchste Zeit, dass die SPD die Scheuklappe von ihrem linken Auge abnimmt". Zur Anzeige gegen Mitglieder der EU-Kommission meinte Gräßle: "Was Rumänien sich mit Timmermans leistet, hat bislang noch kein EU-Mitgliedsstaat gewagt. Das ist absolut inakzeptabel; übrigens auch, den erstinstanzlich verurteilten betrügerischen Parlamentspräsidenten Dragnea weiter zu schützen und der geschassten Anti-Korruptionsermittlerin Kövesi nicht zu helfen." 

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