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Der SPD-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

© dpa

Die SPD vor ihrem Parteitag: Sigmar Gabriel braucht einen echten Vertrauensbeweis

Sigmar Gabriel benötigt beim SPD-Parteitag am Freitag ein achtbares Ergebnis bei der Wiederwahl zum Parteivorsitzenden. Er muss einiges vergessen machen, wenn er vor die Delegierten tritt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan Haselberger

Im Wirtschaftsministerium sitzen sie jetzt an einer Rede, die groß sein muss, einer Rede gegen Missmut und Zweifel. Bis zur letzten Minute werden Sigmar Gabriel und seine Berater an der Ansprache arbeiten, mit der Gabriel auf dem SPD-Parteitag an diesem Freitag um ein achtbares Ergebnis bei der Wiederwahl zum Parteivorsitzenden kämpfen will. Dass Gabriel an der Spitze bestätigt wird, steht außer Frage – schon weil es in der Sozialdemokratie derzeit niemanden von Rang gibt, der sich das schwierige Amt an seiner Stelle antun würde. Fraglich ist aber, ob die SPD den Durchhaltewillen ihres Chefs auch mit einem Votum belohnt, das als glaubwürdiger Vertrauensbeweis durchgehen kann.

Gabriel braucht diesen Beweis vor allem als Kanzlerkandidat in spe. 84 Prozent waren es beim letzten Mal, viel weniger dürfen es am Freitag nicht werden, will Gabriel 2017 nicht mit dem Ruf des Zählkandidaten in den ohnehin wenig aussichtsreichen Wahlkampf mit Angela Merkel ziehen. Nun verhält es sich mit der Kanzlerkandidatur wie mit dem SPD-Chefposten: Außer Gabriel steht niemand bereit. Da Alternativlosigkeit aber kein Garant für gute Wahlergebnisse ist, jedenfalls nicht in der phasenweise zur Irrationalität neigenden SPD, wird er viel Überzeugungskraft aufbieten müssen.

Missmut und Zweifel: In der SPD macht sich nach zwei Jahren großer Koalition eine gefährliche Stimmung breit. Trotz vorzeigbarer Erfolge in der Regierung (Mindestlohn, Rente mit 63) kommen die Sozialdemokraten in den Umfragen nicht über 25 Prozent hinaus; auch von der Zerstrittenheit der Union in der Flüchtlingskrise kann die Partei nicht profitieren. Es herrscht Ratlosigkeit. 25 Prozent, das würde nach 2017 vier weitere Jahre als Juniorpartner der Union bedeuten. Wenn es gut läuft.

Auch bei den Wählern steht Gabriel nicht hoch im Kurs

Zum Verdruss über die fehlende Machtperspektive kommen Zweifel an Gabriel selbst hinzu, seiner Verlässlichkeit und Prinzipientreue. Bis in die Parteispitze hinein reicht das Misstrauen. Als Gabriel im Sommer mit einem Grexit-Kurs liebäugelte, verweigerte ihm eine entsetzte Führungsriege die Gefolgschaft. Auch bei den SPD-Wählern steht Gabriel nicht hoch im Kurs: Nur 17 Prozent halten ihn für den besten SPD-Kanzlerkandidaten.

Das alles muss Gabriel vergessen machen, wenn er vor die Delegierten tritt. Dass er ein guter Redner ist, besser als jeder andere an der Spitze seiner Partei, wird ihm helfen. Viel wichtiger aber ist: Gabriel kann auf einen Wesenszug der SPD bauen, der ebenso ausgeprägt ist wie ihre Streitlust. In Zeiten großer Krisen stellt die Sozialdemokratie ihre chronischen Flügelkämpfe meist hinten an, wird der Debattierklub zur Staatspartei, die sich in ihrem Verantwortungsbewusstsein von der Union nicht überbieten lässt.

Der hunderttausendfache Zuzug von Flüchtlingen ist zweifellos eine große Krise, bei deren Bewältigung es auf die SPD ankommt. Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Aufnahme so vieler Schutzsuchender nicht zur inneren Spaltung des Landes führt. Sie muss garantieren, dass die heimische Bevölkerung nicht den gefährlichen Eindruck gewinnt, sie werde wegen der Flüchtlinge benachteiligt. Es ist dabei keineswegs ausgemacht, dass die SPD und ihr Vorsitzender dafür vom Wähler belohnt werden, oder ob am Ende wieder nur Angela Merkel profitiert. Sicher ist aber: Die Genossen werden gebraucht. Darauf könnten sie stolz sein.

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