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Politik: Die Stimmen der Herren

Der Bundestag berät und wird beraten – von Experten aus der Atomlobby

Berlin - Kaum hat das Kabinett die Energiewende beschlossen, schon muss sich der Bundestag mit zunächst acht Gesetzentwürfen befassen. Den Anfang macht am Mittwoch der Umweltausschuss mit zwei Anhörungen über die Atomgesetznovelle, mit der die Laufzeitverlängerung des vergangenen Herbstes zurückgenommen werden soll, und über das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das die Förderbedingungen für Wind-, Biomasse- und Solarstrom festlegen soll.

In beiden Anhörungen sollen Stefan Kohler, Chef der halbstaatlichen Deutschen Energieagentur (Dena), und Hildegard Müller, Chefin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Rede und Antwort stehen. Während bei Müller klar ist, dass sie Lobby-Interessen vertreten muss, gilt Kohler als unabhängiger Experte. Das stimmt für Kohler aber ebenso wenig wie für Joachim Knebel vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), den die FDP geladen hat. Der Etat von Kohlers Dena wird nicht unwesentlich von den großen Energiekonzernen bestritten. Im Aufsichtsrat sind das Wirtschafts- und das Umweltministerium vertreten, doch Kohler hat in den vergangenen Jahren Positionen eingenommen, die seinen Geldgebern genutzt haben. Er dürfte auch am Mittwoch wieder vor Stromausfällen warnen. Von der Dena stammt eine viel zitierte, allerdings auch angezweifelte Studie, die durch den Ausbau der erneuerbaren Energien und mangelnden Leitungsbau eine „Stromlücke“ prognostiziert hat.

Der Experte Knebel wiederum spricht für das ehemalige Kernforschungszentrum Karlsruhe. Das KIT ist oder war Mitglied in nahezu allen Lobbyorganisationen der Atomwirtschaft. Das hat die Bundesregierung auf eine Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Sylvia Kotting-Uhl geantwortet. Aus der Antwort, die dem Tagesspiegel vorliegt, geht hervor, dass das KIT die Kerntechnische Gesellschaft seit 1969 mit Mitgliedsbeiträgen fördert, 2011 beträgt der Beitrag 2556,46 Euro. Dem Deutschen Atomforum gehört das KIT seit 1961 an und zahlt 2011 einen Jahresbeitrag von bescheidenen 153 Euro. Die meisten bundeseigenen Forschungsinstitute oder Firmen, die dem Atomforum angehören, zahlen relativ geringe Beiträge.

Die Mitgliedschaften in der europäischen und amerikanischen Atomlobby beendete das KIT im Jahr 2000 beziehungsweise schon 1997. Bis heute bezahlt das KIT aber Mitgliedsbeiträge bei der VGB Powertech, die seit Wochen versucht, die Atomkatastrophe in Fukushima zu relativieren. In den VGB-Expertisen wird ignoriert, dass zumindest beim Reaktor 1 in Fukushima-Daichi bereits das Erdbeben vom 11. März massive Schäden hinterlassen hat. Die VGB Powertech erklärt die Katastrophe ausschließlich mit mangelnder Vorsorge gegen Tsunamis, mit denen man ihrer Einschätzung nach hätte rechnen müssen.

Interessant sind auch die Mitgliedschaften der WAK, der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe Rückbau- und Entsorgungs GmbH. Die bundeseigene Firma ist nicht nur Mitglied des Atomforums, dem sie 2011 immerhin 1866 Euro überweist. Die WAK gehört auch dem Wirtschaftsverband Kernbrennstoff-Kreislauf an und überweist allein in diesem Jahr 37 180 Euro. Die Beiträge seit 2005 liegen bei stolzen 156 430 Euro, was insofern erstaunlich ist, als sich der besagte Wirtschaftsverband für ein Konzept einsetzt, das seit 2005 in Deutschland verboten ist: die Wiederaufarbeitung. Das findet die Grüne Kotting-Uhl empörend, schließlich lasse sich die WAK „von den Steuerzahlern die explodierenden Kosten für eine der teuersten Atomruinen Deutschlands zahlen“. Kotting-Uhl sagt: „Der Atomfilz – es gibt ihn noch.“

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