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Politik: "Die Strafen müssen empfindlich sein"

David Byrne (54) ist seit 1999 in der Brüsseler EU-Kommission für Lebensmittelsicherheit, Gesundheit und Verbraucherschutz zuständig. Der Ire übte seinerzeit scharfe Kritik an den deutschen Behörden, als hier zu Lande die ersten BSE-Fälle auftauchten.

David Byrne (54) ist seit 1999 in der Brüsseler EU-Kommission für Lebensmittelsicherheit, Gesundheit und Verbraucherschutz zuständig. Der Ire übte seinerzeit scharfe Kritik an den deutschen Behörden, als hier zu Lande die ersten BSE-Fälle auftauchten.

Herr Byrne, was essen Sie am liebsten?

Es gibt ziemlich viele Gerichte, die ich gern mag. Dazu gehören auch Lamm und Rindfleisch.

Europäisches Rindfleisch?

Oh ja. Irgendwie mag doch jeder das Essen am liebsten, das er aus seiner Kindheit kennt. Wir in der Kommission müssen sicherstellen, dass die Leute auch weiterhin Nahrungsmittel, die seit Generationen auf eine bestimmte Art und Weise hergestellt werden, kaufen und essen können. Wir wollen nicht unter dem Etikett der Nahrungsmittelsicherheit kulturelle Eigenheiten unterdrücken.

Bisher hat die Kommission wenig Rücksicht auf nationale Besonderheiten genommen. Rudern Sie jetzt zurück?

Nein, das ist ein Schritt vorwärts. Wir reden doch in Brüssel längst nicht mehr nur über die Sicherheit von Nahrungsmitteln, sondern auch über die Qualität. Das Essen ist den Menschen wichtig, weil es ihnen nahe ist, zu ihrem Alltag gehört. Wenn wir darauf nicht in einer sensiblen, flexiblen Art und Weise reagieren, werden uns die Leute zu Recht als gesichtslose, anonyme Brüsseler Bürokraten kritisieren.

Sind europäische Lebensmittel sicher? Funktionieren die Kontrollen?

Ja, aber wir überlegen, das bestehende System mit einem Sanktionskatalog abzurunden. Wir wollen die Möglichkeit haben, Mitgliedsländer, in denen es zu erheblichen Verstößen gegen die Nahrungsmittelsicherheit kommt, mit einem Bußgeld zu bestrafen. Das würde die hohen Sicherheitsstandards noch verbessern. Wir arbeiten derzeit an einem entsprechenden Verordnungsentwurf.

Wie hoch sollen die Strafen sein?

Das steht noch nicht fest, aber sie müssen natürlich empfindlich sein.

Noch ist es in der gesamten EU verboten, Tiermehl zu verfüttern. Wie lange noch?

Tiermehl darf derzeit weder an Wiederkäuer verfüttert werden, noch an Geflügel, Schweine oder Fisch. Und das wird sich auch so bald nicht ändern.

Also nicht mehr in diesem Jahr?

Nein, auf gar keinen Fall. Wir müssen natürlich irgendwann einmal überprüfen, ob wir dieses strikte Verbot noch brauchen. Denn wir wissen inzwischen gesichert, dass Tiermehl BSE nicht auf Schweine, Fisch oder Geflügel überträgt. Die Berge von nicht entsorgtem Tiermehl werden immer höher.

Wird es irgendwann wieder an Rinder und Schafe verfüttert?

Nein, keinesfalls. Die Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer werden wir niemals, niemals, niemals mehr erlauben.

Zuletzt hat es viele Konflikte zwischen Deutschland und der EU-Kommission gegeben. Zum Beispiel über den "Blauen Brief". Liegt das nur an den bevorstehenden Wahlen? Oder gibt es eine grundlegende Wende von Schröders Europapolitik?

Es ist eine komplexe Beziehung mit jedem Mitgliedsstaat. Die Kommission hat die Aufgabe, Politik zu entwickeln. Aber die Mitgliedsstaaten selbst sind die europäischen Gesetzgeber. Nicht die Kommission. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Gesetzesvorgaben fair und den Beschlüssen entsprechend umgesetzt werden. Wir üben keinen besonderen Druck auf einzelne Staaten aus. Aber ab und zu trifft man die empfindlichen Punkte und löst allergische Reaktionen aus.

Sollte die Kommission gestärkt werden, indem man den Präsidenten wählen lässt?

Ich halte es für eine gute Idee. Allerdings muss man darüber diskutieren, wer ihn wählen soll: das Europaparlament, die nationalen Parlamente, ein eigens dafür gewähltes Gremium oder alle Bürger der EU?

Bundeskanzler Schröder setzt sich in Konflikten zwischen Industrie und Verbrauchern fast immer für die Industrie ein. Zum Beispiel bei der Tabakwerbung. Machen das alle so?

Die Staatschefs aller EU-Länder müssen sich für die Dinge einsetzen, die für ihr Land wichtig sind. Deutschland ist ein wichtiges Industrieland. Und Verbraucher sind auch Beschäftigte. Ohne Einkommen kein ensprechender Konsum. Man muss die Interessen richtig ausbalancieren. Das gilt allerdings nicht für den Tabak. Da muss die Gesundheit Priorität haben.

Aber weiß nicht jeder, dass Rauchen krank macht? Warum sagen Sie nicht: Lass sie doch rauchen?

Das ist die Laissez-faire-Haltung, die auch die Tabakindustrie befürwortet. Aber glauben Sie wirklich, dass die Verbraucher die Wahl haben, wenn sie abhängig sind? Das Einstiegsalter beim Zigarettenkonsum liegt in Deutschland bei durchschnittlich 13,6 Jahren. Deshalb habe ich eine Richtlinie vorbereitet, um Tabakwerbung zu verbieten.

Sind Sie bei gentechnisch veränderten Organismen (GMO) genauso entschlossen, die Gesundheit der Verbraucher auch gegen Industrie-Interessen zu schützen?

GMO sind keine Gesundheitsfrage. Hier geht es darum, Verbraucher besser zu informieren. Wie Menschen Risiken wahrnehmen, ist erstaunlich. Es gibt in den meisten Mitgliedsstaaten kein hohes Risikobewusstsein beim Tabak, obwohl er so viele Menschen tötet. Dagegen ist noch kein Mensch nach dem Genuss von GMO gestorben.

Ist die Kritik an gentechnisch veränderten Organismen reine Hysterie?

Die Verbraucher haben sich zu Recht dagegen gewehrt, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel auf den Markt gebracht werden, ohne sie zu informieren. Wir haben eine Richtlinie auf den Weg gebracht, um Verbrauchern die Wahl zu lassen. Ab Oktober gibt es eine umfassende Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel.

Würden Sie ein Gericht essen, in dem GMO verarbeitet wurden?

Aber selbstverständlich.

Herr Byrne[was essen Sie am liebsten?]

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