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Politik: Die Stunde der Opposition

Juschtschenko liegt vor dem Wahlsonntag in der Ukraine vorn – aber jetzt greift Putin den Westen an

Von Hans Monath

In der Ukraine dürfte am kommenden Sonntag die orangene Revolution zu einem guten Ende kommen: Nahezu alle Beobachter erwarten einen Sieg des Oppositionsführers Viktor Juschtschenko bei der Wiederholung der Präsidentschafts-Stichwahl. Nach einer am Donnerstag in Kiew veröffentlichten Umfrage des Instituts für Sozialforschung und des Zentrums für Sozialbeobachtung lag Juschtschenko 14 Prozentpunkte vor seinem pro-russischen Konkurrenten Viktor Janukowitsch.

Ein Sieg Juschtschenkos würde ein verspätetes Weihnachtsgeschenk für die hunderttausenden Ukrainer bedeuten, die erfolgreich gegen die Wahlfälschungen des von Russland unterstützten Premierministers Janukowitsch demonstriert hatten.

Russlands Präsident Wladimir Putin warf am Donnerstag in Moskau dem Westen vor, durch sein Engagement in der Ukraine und anderen Ländern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) Russland isolieren zu wollen. Der Kreml sei zur Zusammenarbeit mit einem Wahlsieger Juschtschenko bereit. Allerdings dürfe der „keine anti-russischen und zionistischen Politiker“ in sein Kabinett holen, verlangte Putin. Die Außenpolitiker im Juschtschenko-Team lassen in der Tat keinen Zweifel daran, dass sie die Ukraine möglichst schnell an die Europäische Union heranführen wollen.

In ungewöhnlich scharfer Form kritisierte Putin auch Polens Präsidenten Aleksander Kwasniewski: Dieser höre sich an wie einer, der „einen neuen Job“ suche. Indirekt warf er ihm damit vor, mit seiner Vermittlerrolle in der Ukraine als Sprachrohr der USA zu fungieren.

Schrille Töne auch im Wahlkampf-Endspurt in der Ukraine: „Es gibt einige Kräfte, die Störungen vorbereiten, und sie stellen Brigaden zusammen, Gruppen, die sich bereitmachen, nach Kiew zu kommen“, warnte Juschtschenko am Donnerstag. Zuvor war der Wahlkampf von den Vergiftungsvorwürfen um Juschtschenko überschattet worden. Der Oppositionschef war mit Krebs auslösendem Dioxin vergiftet worden. Da der ukrainische Geheimdienst SBU am Donnerstag jede Beteiligung an der Vergiftung ausschloss, gewann wieder die von Juschtschenkos Mitstreitern vertretene Theorie an Boden, der Wahlfavorit Juschtschenko habe von russischen Spionen aus dem Weg geräumt werden sollen.

Unterdessen teilte der Koordinator für die deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit der Bundesregierung, Gernot Erler, mit, dass Deutschland weitaus mehr als die ursprünglich angekündigten 100 Wahlbeobachter in die Ukraine schicken werde. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) entsende insgesamt rund 1000 Beobachter. „Das wird die am gründlichsten beobachtete Wahl dieses Jahrzehnts werden“, sagte der SPD-Politiker. Erler zeigte sich optimistisch, dass „die Wahrscheinlichkeit einer Spaltung beider Landesteile viel geringer geworden“ sei, weil der Wahlkampf auf der Grundlage viel besserer Informationen geführt werde. Sowohl in der West- wie in der Ostukraine werde inzwischen sachlicher über die beiden Kandidaten Juschtschenko und Janukowitsch berichtet. Erler wertete dies als Effekt der Demonstrationen nach dem ersten Wahlgang im November. „Deshalb wird es nun schwerer, Juschtschenko als Agent Amerikas zu denunzieren, der den Kontakt zu Russland abbrechen will“, sagte Erler.

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