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Politik: Die Supermacht schweigt

Die USA legen ihre Resolution offenbar später vor als geplant – bei den UN haben sie eine Mehrheit gegen sich

Von Barbara-Maria Vahl,

New York

Eigentlich wollten die USA die offene Aussprache über den Irak bei den UN nutzen, um eine zweite Resolution einzubringen. Noch am Dienstag hieß es aus zuverlässigen Quellen, die USA und Großbritannien feilten gemeinsam am Text des Dokuments, das sie wohl am Mittwoch vorlegen würden. Aber nichts geschah. Die Amerikaner haben auch noch nicht mit dem berühmten „Armeverdrehen“ begonnen – so das UN-Korridorwort für das bei heiklen Angelegenheiten übliche Verhalten der Supermacht, kleinere Länder mit viel Druck zum gewünschten Verhalten zu bewegen. Höchst ungewöhnlich sei die Situation diesmal, wunderten sich viele Diplomaten: Alles blieb still.

Beobachter gehen davon aus, dass die US-Administration trotz gegenteiliger Beteuerungen nach den gewaltigen Friedensdemonstrationen vom vergangenen Wochenende doch verunsichert ist und jetzt zunächst einmal abwartet. Deshalb das plötzliche Schweigen, so vermuten Diplomaten.

Was könnte überhaupt in einer zweiten Resolution stehen? Die Amerikaner und Briten werden dem Irak voraussichtlich ein Ultimatum mit eher kurzer Ablauffrist setzen, die dann sehr ernst zu nehmen wäre. Die neue Resolution soll dazu dienen, so viele Mitgliedsländer wie möglich für die Unterstützung militärischer Aktionen zu gewinnen, vermuten Diplomaten. Doch in den vergangenen Tagen hat es bilaterale und multilaterale Gespräche in allen Kombinationen gegeben – und dem Vernehmen nach sind im Sicherheitsrat die elf Befürworter einer Friedenslösung weiterhin fest entschlossen, sich nicht umstimmen zu lassen. Das EU-Statement am Montag in Brüssel hatte in New York den Eindruck erweckt, dass die Spaltung auch im Sicherheitsrat und bei den UN nicht so unüberbrückbar tief sei. Und es hatte offenbar bei den Amerikanern wieder ein wenig die Hoffnung genährt, man werde die Europäer doch noch zur Beteiligung an militärischen Aktionen gewinnen können. Sowohl an den Bruchlinien als auch an der potenziellen Kampfbereitschaft scheint sich aber seit vergangenem Freitag nicht viel geändert zu haben.

Überaus eindeutig waren die Voten der knapp 60 Länder, die in dieser Woche bei den UN das Wort zum Thema Irak ergriffen. Die große Mehrheit sprach sich klar für eine nicht befristete Fortsetzung der Inspektionen aus, die mit guten Ergebnissen vorangingen. Der Irak arbeite bereits gut mit, müsse aber noch engagierter kooperieren. Und die meisten lehnten ebenso klar militärische Aktionen ab. Die Aufgabe des UN-Sicherheitsrates sei es, den Frieden zu erhalten. Besonders eindringlich gegen Krieg votierten die Nachbarn des Irak. Sie warnten vor einer humanitären Katastrophe, vor einem lange dauernden Absturz des Irak ins Elend. Iran wies darauf hin, dass das Ausmaß an Destabilisierung über alle Vorstellungen hinausgehen könnte, und dass dies weiteren Extremismus beförderte. Vielfach verwiesen die Redner auf „Doppelstandards" bei den UN, da Israel, Besitzer biologischer und chemischer Waffen, ungestraft Resolutionen brechen dürfe.

Noch ist nicht klar, ob der nächste Bericht der Inspekteure tatsächlich am 1. März, einem Sonnabend, erstattet wird oder vielleicht erst später. In den kommenden Tagen sind weitere Sitzungen zum Irak nicht geplant, können aber jederzeit beantragt werden, so die deutsche Präsidentschaft – alles ist offen.

Barbara-Maria Vahl[New York]

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