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Gezielte Attacke. Pakistans mächtiger Taliban-Anführer Hakimullah Mehsud kam bei einem US-Drohnenangriff ums Leben – kurz bevor er Verhandlungen mit der Regierung in Islamabad aufnehmen wollte. Foto: Bilawal Arbab/dpa

© dpa

Politik: Die Taliban schwören Rache

Wollen die USA mit der Tötung des pakistanischen Extremistenchefs den Friedensprozess torpedieren?

Gerade vier Wochen ist es her, da hatte er sich zu Friedensgesprächen bereit erklärt. Am Samstag sollte eine Delegation von Klerikern nach Nord-Wasiristan reisen, um ihm feierlich die Einladung der Regierung für Verhandlungen zu überreichen. Doch dazu kam es nicht mehr. Nur 18 Stunden vor dem Treffen wurde Hakimullah Mehsud, Pakistans berüchtigter Taliban-Chef, getötet – von einer US-Drohne. Während die USA den Tod Mehsuds als Erfolg feierten, ist die pakistanische Politik außer sich. Regierungschef Nawaz Sharif berief am Sonntag eine Krisensitzung des Kabinetts ein, um das Verhältnis zu Washington zu überprüfen. Innenminister Chaudhry Nisar sprach von einem „Mord an allen Friedenshoffnungen“. Er warf den USA vor, Gespräche mit den Militanten zu sabotieren und die Gewaltspirale anzuheizen.

Der erst seit Mai amtierende Sharif hatte die USA erst jüngst gebeten, auf weitere Drohnenschläge zu verzichten, um den Friedensprozess mit den Taliban nicht zu gefährden. Erbost bestellte die Regierung US-Botschafter Richard Olson ein. Der Politiker Imran Khan drohte damit, seine Partei PTI werde im Parlament beantragen, die Nachschubwege der Nato durch Pakistan zu blockieren.

Pakistan muss eine neue Terrorwelle fürchten. Die Taliban fühlten sich verraten und schworen Rache. „Jeder Tropfen von Hakimullahs Blut wird sich in einen Selbstmordbomber verwandeln“, sagte ein Taliban-Sprecher. Aus Angst vor weiteren Angriffen wurde Mehsud noch im Schutz der Nacht beerdigt. Mehsud, Mitte 30, langhaarig, galt als charismatisch, aber auch cholerisch und brutal.

Er führte seit August 2009 den Taliban-Dachverband Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP), nachdem sein Vorgänger Baitullah Mehsud ebenfalls von einer US-Drohne getötet worden war. Ihm werden hunderte Anschläge und der Tod von tausenden Menschen angelastet. Die USA setzten ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar auf ihn aus, nachdem ein Suizidattentäter 2009 in Afghanistan sieben CIA-Agenten tötete. Es war der schwerste Verlust für die CIA in 25 Jahren. Mehsud galt als Drahtzieher.

Angeblich wechselte er alle sechs Stunden seinen Aufenthaltsort. Doch nun erwischte ihn eine US-Drohne, angeblich, als sein Wagen gerade sein Gehöft in Danda Darpa Khel, einem Dorf in Nord-Wasiristan, erreichte. Bei einer Ratsversammlung bestimmten die Taliban angeblich Asmatullah Shaheen Bhittani zunächst als Übergangschef. Die Lage nach Mehsuds Tod blieb undurchsichtig. Die Medien rätselten, warum Mehsud just getötet wurde, als er sich zu Gesprächen bereit erklärte. Einige Analysten spekulierten, sein Tod könne die Chancen für eine friedliche Lösung erhöhen. Die meisten Pakistaner glauben dagegen, die USA hätten Mehsud getötet, um den Friedensprozess zu torpedieren. Nicht wenige vermuten zudem, dass Pakistans Militär den USA die Hinweise zu Mehsuds Aufenthaltsort lieferte.

Das Militär lehnt Friedensgespräche angeblich ab. Ähnlich wie in Ägypten kooperieren die USA in Pakistan traditionell mit dem Militär, das die Drohnenschläge heimlich dulden soll. Sharif war erst im Mai an die Spitze des Atomstaates gewählt worden. Sein Verhältnis zum Militär gilt als gespannt. Und er ist weit US-kritischer als sein Vorgänger Asif Ali Zardari, der als Schützling der Amerikaner galt.

Sharif hatte angekündigt, den Friedensprozess mit Indien voranzubringen sowie Gespräche mit den pakistanischen Taliban zu suchen. Doch seit seinem Antritt liefern sich Pakistan und Indien plötzlich wieder heftige Scharmützel in Kaschmir. Nun scheinen auch die Gespräche mit den Taliban geplatzt. Dies schürt Gerüchte, dass das Militär, möglicherweise mit Segen Washingtons, Sharifs Politik hintertreibt, um ihn möglichst schnell aus der Regierung zu drängen.

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