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Politik: „Die Union will den Kulturkampf“

Vor dem Wechsel an der SPD-Spitze: Schröder und Müntefering werfen Merkel Spaltung der Gesellschaft vor

Berlin. Gerhard Schröder und Franz Müntefering sehen im Streit um den künftigen Weg Deutschlands eine „Auseinandersetzung unterschiedlicher Kulturen“. Im Gespräch mit dieser Zeitung warfen sie der Opposition vor: „CDU, CSU und FDP wollen einen anderen Staat als wir.“ Der Begriff „Kulturkampf“ sei in Deutschland „historisch anders besetzt“, doch charakterisiere er dem Wortsinn nach auch den gegenwärtigen Streit um die Modernisierung von Staat und Gesellschaft zutreffend, sagte der Kanzler. Die Union, „vor allem Angela Merkel, sind im Grunde auch nur Suchende: Außer Spaltung haben die nichts im Angebot“, ergänzte Müntefering.

Nach Ansicht Schröders stehen im „Kampf der politischen Kulturen“ drei Modelle zur Wahl. Das erste, von Teilen der Gewerkschaften und linken Abweichlern favorisiert, behaupte: „Wenn wir nur alles lassen, wie es ist und dafür kämpfen, dann wird alles gut.“ Das zweite Modell, von der Opposition vertreten, „betreibt nicht den Umbau des Sozialstaates, sondern sehr bewusst Sozialabbau und die Verschärfung der Gegensätze in unserer Gesellschaft“. Dieses Konzept „der Spaltung der Gesellschaft und der Entsolidarisierung stellt das Erfolgsmodell sozialen Friedens und sozialer Gerechtigkeit der bisherigen Bundesrepublik zur Disposition“. Dagegen setze die von der SPD geführte Bundesregierung die Alternative einer umfassenden Modernisierung, die für Innovation stehe und die sich mit der Agenda 2010 verbinde. Der jetzt angegangene „Umbau des Sozialstaates mutet in vertretbarem Rahmen Belastungen zu, trägt aber vor allem dafür Sorge, dass Gerechtigkeit umfassend nicht nur für die heute lebenden Generationen ins Werk gesetzt werden kann“. Der Streit zwischen diesen „drei Möglichkeiten gesellschaftlicher Entwicklung“ wird nach Einschätzung des Bundeskanzlers die politische Auseinandersetzung der kommenden Monate und die Bundestagswahl 2006 entscheiden.

Dem an diesem Sonntag anstehenden Wechsel an der Parteispitze sehen die beiden SPD-Politiker mit großer Zuversicht entgegen. Die Verbindung von Parteivorsitz und Regierungschef in einer Person sei eine deutsche Besonderheit, die es in den anderen großen westlichen Demokratien so nicht gebe. „Man kann daraus keine Regel für das politische Lehrbuch machen", erklärte Müntefering. In der jetzigen Lage sei die Trennung das „Beste für Land und Partei“. Schröder sagte, der eigentliche Grund seiner Initiative, Müntefering um die Übernahme der Verantwortung für die SPD zu bitten, sei „die Einsicht, dass er das besser kann.“ Spekulationen, er könne demnächst womöglich auch das Amt des Bundeskanzlers übernehmen, trat Müntefering entschieden entgegen: „Bundeskanzler sein, das könnte ich nicht.“ Er kenne seine Stärken und Schwächen und wisse: „Das würde ich nicht schaffen.“

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