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Politik: Die US-Präsidentschaftskandidaten und ihre außenpolitischen Visionen - Scharfe Töne von Bush in Richtung Moskau

Nach Delaware, dem zweiten Durchgang der Vorwahlen um die Präsidentschaftskandidatur, beginnt die Diskussion, was der eine oder andere Neue im Weißen Haus denn für das transatlantische Verhältnis bedeuten würde. Je eine Grundsatzrede zur Außen- und Verteidigungspolitik hat jeder Kandidat gehalten.

Nach Delaware, dem zweiten Durchgang der Vorwahlen um die Präsidentschaftskandidatur, beginnt die Diskussion, was der eine oder andere Neue im Weißen Haus denn für das transatlantische Verhältnis bedeuten würde. Je eine Grundsatzrede zur Außen- und Verteidigungspolitik hat jeder Kandidat gehalten. John McCain und George W. Bush wollen US-Interventionen stärker auf ihre Möglichkeit, tatsächlich etwas zu bewirken, prüfen. Haiti dient ihnen als Beispiel für vorschnellen US-Aktionismus. McCain würde mit Nachdruck auf europäische Rüstungsanstrengungen drängen und Sicherheitspolitik stärker nach dem "wenn schon, denn schon"-Prinzip gestalten: Greift die Nato ein, dann ohne Bremsen.

Von dem Senator aus Arizona und ehemaligen Kriegsgefangenen in Vietnam, der unter anderem von Henry Kissinger beraten wird, dürfte man auch erwarten, dass er Europas Bemühungen, eine eigenständige Komponente in die Verteidigungspolitik einzuziehen, dann kritisch gegenübersteht, wenn den Worten zwar viele Planungskonferenzen, aber weder Taten noch Mittel folgen. Bush, selbst außenpolitisch völlig unerfahren, hat sich mit etlichen Falken aus dem Umfeld seines Vaters umgeben. Um die Spitzenjobs in einer möglichen Bush-Regierung streiten sich Condoleezza Rice, Professorin in Stanford (Kalifornien) und Staatssekretärin unter Bush senior, Bob Zoellick, kurzzeitig Chef des "Center for Strategic and International Studies" (CSIS) in Washington und in der letzten republikanischen Regierung Vize-Stabschef im Weißen Haus, sowie Paul Wolfowitz, einst US-Botschafter in Indonesien und heute Dekan der "School of Advanced International Studies" (SAIS) der Johns-Hopkins-Universität in Washington.

Diese drei sitzen gegenwärtig auf dem Gerüchte-Karussel. Rice, eine jugendliche schwarze Frau, wird als Sicherheitsberaterin, Wolfowitz als Außen- und Zoellick als Verteidigungsminister gehandelt, sollte George W. Bush das Weiße Haus erringen. Ob China nun als potenzieller Partner oder als großer strategischer Rivale gilt, ist unter Bushs außenpolitischen Spitzenberatern alles andere als ausgemacht. Bush selbst gibt gern die Devise aus, er wolle "soft" gegen Peking und "hard" im Umgang mit Moskau sein. Von allen vier Spitzenreitern hat Bush die bedenklichsten Töne zugelassen, was den Umgang des Westens mit Russland angeht. Vor lauter Reden von Druck und Sanktionen lässt er kaum mehr erkennen, eine Vorstellung vom Potenzial und von der strategischen Bedeutung des einstigen Erzfeindes zu haben.

Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Bundestages, der CDU-Abgeordnete Friedbert Pflüger, hat sich vergangene Woche in Washington ein eigenes Bild gemacht und zwei Themen als potenzielle Haupt-Streitpunkte im transatlantischen Verhältnis identifiziert. Die Amerikaner sehen die europäischen Verteidigungsanstrengungen mit Misstrauen: Einerseits wird in Brüssel Eigenständigkeit proklamiert, andererseits lassen die Wehretats drastisch zu wünschen übrig. Europa dagegen sieht mit Sorge, wie Amerika bei seiner "National Missile Defense", dem von allen Kandidaten unterstützten Nachfolgeprojekt zu Ronald Reagans "Krieg der Sterne", der möglichen Verletzung russisch-amerikanischer Abrüstungsvereinbarungen mit viel Langmut begegnet. "Wir haben großes Glück mit allen vier Präsidentschaftskandidaten", meint Pflüger. Am ehesten macht er "bedenkliche Untertöne" bei Bush aus.

Al Gore, unter dem UN-Botschafter Richard Holbrooke gern Außenminister würde, divergiert außenpolitisch kaum vom Clinton-Kurs - mit einer Ausnahme. Gore gilt als Israel-freundlicher und Araber-kritischer als Clinton. Ihm wird auch nachgesagt, Clintons enge Beziehung zu Deutschland nicht zu haben. Anders Bradley. Der Ex-Senator ist mit einer gebürtigen Deutschen verheiratet und berichtet in seiner Autobiografie, wie unverhofft die Entdeckung seiner eigenen deutschen Wurzeln für ihn war und mit wie viel Neugier er sich in das Thema hineingrub. Sein Abstimmungsverhalten als Senator war erratisch. Den Golfkrieg hat er abgelehnt. In seinem Beraterstab sind Intellektuelle wie der Harvard-Soziologe Cornel West gut vertreten, pragmatische Außenpolitiker indes eher nicht. Bradley liebäugelt mit dem Image, er selbst sei sein einziger wahrer Ratgeber.

Gore und Bradley trafen am Sonnabend im kleinen Atlantik-Küsten-Staat Delaware aufeinander, wo die Demokraten einen nicht-bindenden "Caucus" abhielten. Beide Kandidaten hatten auf aktiven Wahlkampf verzichtet. Gore erhielt 58, Bradley 41 Prozent. McCain hat seit der Vorwahl in New Hampshire am 1. Februar in South Carolina, wo die Republikaner als nächstes am 19. Februar aufeinander treffen, fast 20 Prozentpunkte gegenüber Bush aufgeholt und liegt nun fast gleichauf. Innerhalb von 24 Stunden nach seinem 49-zu-30-Sieg über Bush nahm McCain eine Million Dollar Wahlkampfspenden ein. Bush hat seine Attacken auf ihn verschärft und McCain einen "heuchlerischen Reformer" gescholten.

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