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70 Minuten lang redete Präsident Hamid Karsai.

© dpa

Die USA in Afghanistan: Pakt des Misstrauens

Der afghanische Präsident Hamid Karsai äußert öffentlich seine Skepsis gegenüber den USA. 2014 ziehen die Nato-Kampftruppen ab, doch der Anti-Terror-Einsatz geht weiter.

Es waren vernichtende Worte, mit denen Hamid Karsai seine 70-minütige Rede schloss. „Ich traue den USA nicht. Und sie trauen mir nicht“, gab Afghanistans Präsident zu, während die Delegierten gebannt lauschten. Aber fast im gleichen Atemzug fügte er hinzu, dass das kriegsgeschundene Land den Militärpakt mit den USA brauche. Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen hat am Donnerstag in einem Zelt in Kabul die Loya Dschirga, die große Ratsversammlung, begonnen.

Rund 2500 Stammesälteste, Geistliche und Politiker sollen in den nächsten Tagen über den Verbleib von US-Soldaten bis mindestens 2024 und damit weit über den offiziellen „Abzug“ Ende 2014 hinaus entscheiden. Das „Bilaterale Sicherheitsabkommen“, wie der Militärpakt mit den USA heißt, spaltet das Land. Nicht nur die Taliban sehen ihn als kaum verklausulierten Besatzungsvertrag an, auch andere Afghanen lehnen ihn ab. Um sich Rückhalt zu holen, hat Karsai daher die Jirga einberufen.

Zum Auftakt warb er, wenn auch eher widerwillig als begeistert dafür, das Abkommen zu billigen. Die Delegierten müssten an künftige Generationen denken. Der Militärpakt biete noch die größte Hoffnung auf Stabilität. „Die USA haben schon genug Blut vergossen“, schrie eine junge Senatorin dazwischen. Unklar blieb, ob der scheidende Präsident Karsai noch selbst den Deal absegnen will. Er schlug vor, dass erst sein Nachfolger, der im April 2014 gewählt wird, das Abkommen unterzeichnet. Das lehnen die USA ab.

Afghanistan braucht westliche Gelder

Erst am Vorabend hatten sich Karsai und US-Außenminister John Kerry auf letzte Details verständigt. Danach sollen bis zu 15 000 westliche Soldaten mindestens bis 2024 am Hindukusch bleiben und neun Standorte nutzen. Im Gegenzug erhält Afghanistan wohl rund vier Milliarden US-Dollar. In fast allen Streitpunkten setzten sich die USA durch. Karsai blieb kaum eine andere Wahl, als einzulenken. Ohne die US-Militärpräsenz und ohne westliche Gelder dürfte das Land vollends in Chaos und Bürgerkrieg versinken. „Es geht nur um Ausbildung, Ausrüstung und Beratung. Es gibt keinen Gefechtsauftrag für die US-Truppen“, sagte Kerry.

Allerdings werden diese am Hindukusch auch weiterhin im Anti-Terror-Einsatz sein, was viel Spielraum lässt. Die USA setzten durch, dass ihre Soldaten Immunität gegenüber afghanischen Strafverfolgern genießen. Im Klartext heißt das, dass US-Soldaten, die Verbrechen begehen, nicht vor afghanische Gerichte gestellt, sondern nur von den USA belangt werden können.

Auch die berüchtigten Nachtrazzien, die Karsai immer wieder scharf kritisiert hat, dürften weitergehen. Zwar sicherten die USA zu, diese auf "außergewöhnliche Umstände" zu beschränken, wenn das Leben von US-Soldaten bedroht sei – aber das bleibt letztlich Ermessensfrage.

Die Jirga dürfte trotz Kritik am Ende den Wünschen Karsais folgen. Er hat die meisten Delegierten handverlesen. Die Taliban nannten die Jirga eine Farce. Auch andere Kritiker werfen Karsai vor, er missbrauche die Jirga, um breite Unterstützung für den Militärpakt vorzugaukeln. Das Tauziehen um das Abkommen ist damit zudem nicht beendet. Danach müssen noch beide Häuser des Parlaments zustimmen, bevor der Präsident unterschreiben kann.

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