zum Hauptinhalt
Die US-Botschaft in Bagdad. So groß wie Vatikan-Stadt.

© dpa

Die USA und der Irak: Die Soldaten gehen - die Diplomaten kommen

Die US-Botschaft in Bagdad ist die größte Botschaft der Welt - und sie soll noch wachsen. Das Ende der Militärintervention bereitet den USA Sorgen.

Zur US-Botschaft in Bagdad gehören Tennisplätze, ein Swimmingpool, ein Restaurant und Shopping-Möglichkeiten für die Mitarbeiter. Der Komplex erstreckt sich über 420 000 Quadratmeter. Damit ist das Botschaftsgelände etwa so groß wie der Vatikan-Staat. Auf dem Areal sind mehr als 600 Appartements untergebracht, rund 8000 Angestellte arbeiten derzeit für die diplomatische Mission der USA im Irak. Sie ist damit die größte der Welt und soll, nach den Plänen des Auswärtigen Ausschusses, noch größer, das Personal auf rund 17 000 Mitarbeiter aufgestockt werden, wie aus einem Bericht unter Führung des Senators John F. Kerry hervorgeht. Die Kosten der diplomatischen Offensive werden auf rund zwei Milliarden Euro geschätzt.

Ziel ist die Umwandlung der amerikanischen Militärintervention im Irak in eine zivile Partnerschaft. Wie wichtig die US-Vertretung im amerikanischen Senat genommen wird, geht aus dem Vorwort von Kerry hervor: „Der Erfolg unserer diplomatischen Mission wird mit darüber entscheiden, ob der Irak ein strategischer Partner bleibt oder ob er sich zum Iran hinwendet.“ Bisher wurde eine solche Hinwendung zum Iran durch die Präsenz der US-Truppen verhindert. Am Ende des Jahres aber werden die rund 50 000 Soldaten das Land verlassen. Dann sollen die amerikanischen Interessen in der Region mit Hilfe der Diplomaten durchgesetzt werden.

Die Botschaft an den Ufern des Tigris in Bagdad wurde Anfang 2009 von dem US-Botschafter James Jeffrey und dem damaligen Regierungschef des Irak, Dschalal Talabani, eröffnet und befindet sich in der sogenannten Grünen Zone Bagdads. Das Gebäude mit seinen meterhohen Mauern hat mehr als eine halbe Milliarde Euro gekostet und bietet rund tausend Büroplätze. Bis Oktober dieses Jahres sollen es insgesamt 16 Standorte sein: neben der Botschaft in der Hauptstadt drei Flugplätze, drei Trainingszentren für Polizisten, zwei Konsulate in Basra und Irbil, zwei weitere Botschaftsbüros in Kirkuk und Mossul und fünf Zentren zur Sicherheitskooperation mit den irakischen Behörden.

Wie die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen zwischen den USA und dem Irak künftig aussieht, hängt vor allem davon ab, wie viele US-Soldaten weiterhin im Land bleiben. Darüber muss die irakische Regierung entscheiden. Bisher sieht das Abkommen zwischen den USA und dem Irak einen Komplettabzug vor. Ein Verbleib der Soldaten ist heftig umstritten.

Washington will aber seine diplomatische Mission nicht ohne Schutz zurücklassen. Entweder die Iraker erlauben den Verbleib von Soldaten zum Schutz der Diplomaten oder die USA sollten eine Verkleinerung der diplomatischen Bemühungen im Irak in Betracht ziehen, sagte Kerry. Der Senator rechnet vor, dass das Konsulat in Basra, ganz im Süden unweit der iranischen Grenze, und das Konsulat in Irbil, im Norden Iraks gelegen, insgesamt rund 120 Mitarbeiter hätten, die durch 1400 Sicherheits- und Versorgungsmitarbeiter unterstützt werden müssten. Ähnlich hoch sind die Zahlen für die Botschaftsbüros, in denen rund 30 Mitarbeiter die Unterstützung von 600 Mann benötigen würden.

Wenn die Pläne realisiert werden, sind im Irak insgesamt etwa 650 US-Diplomaten tätig. Zudem wären einige hundert Mitarbeiter aus dem Justiz- und Agrarministerium und anderen Ministerien Teil der Botschaftsmission. Für deren Schutz sollen rund 5500 Sicherheitskräfte sorgen, 4000 davon würden von privaten Sicherheitsfirmen gestellt und wären weder Iraker noch US-Bürger. Die meisten der 17 000 Mitarbeiter, die die Versorgung der Diplomaten gewährleisten, werden ebenfalls aus Drittländern rekrutiert.

Die festungsartige Botschaft in Bagdad, so scheint es, ist für alle Fälle gerüstet. Es gibt eine eigene Luftversorgung gegen chemische Angriffe, einen Stromgenerator, eine autarke Wasserversorgung, ein unabhängiges Kommunikationsnetz und ein strategisches Center, in dem Militäroperationen koordiniert werden können.

Was der Abzug der US-Truppen aus dem Irak für das Land bedeuten könnte lesen Sie auf Seite 2.

Wenn das irakische Parlament nicht um eine Verlängerung des Einsatzes bittet, werden die US-Truppen im Irak bis zum Jahresende abgezogen. Der wissenschaftliche Abteilungsleiter des Deutschen Orient-Instituts, Sebastian Sons, befürchtet, dass der Irak dann destabilisiert werden könnte: „Irakische Sicherheitskräfte sind noch nicht allein in der Lage, die Stabilität Iraks zu garantieren.“

Das US-Verteidigungsministerium erklärte gegenüber dem Tagesspiegel, dass der Beschluss frühestmöglich gefasst werden sollte, es aber kein Ultimatum gebe. Auch der neue US-Verteidigungsminister Leon Panetta forderte bei seinem Antrittsbesuch im Irak eine schnelle Entscheidung. Sons ist allerdings skeptisch: „Bereits die Regierungsbildung hat acht Monate gedauert. Zudem ist in wenigen Wochen Ramadan, ein Faktor, der das öffentliche und eben auch das politische Leben verlangsamt.“ In den USA wird befürchtet, dass ein Abzug der Truppen den iranischen Einfluss in der Region erhöhen könnte.

Achim Vogt hingegen, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Jordanien und Irak-Experte, misst den Iranern eine geringere Rolle zu: „Der Einfluss Irans ist bereits in dem Land, aber der Iran dominiert nicht, weil wichtige Gruppen wie Sunniten und Kurden diesen Einfluss ablehnen. Zudem bilden die Interessen von Saudi-Arabien und vor allem der Türkei ein starkes Korrektiv.“

Die US-Regierung würde angesichts der schwierigen Haushaltslage ein Ende des Einsatzes begrüßen. Das Pentagon erklärte, dass es aber bisher keine Anfrage der irakischen Regierung gegeben habe, daher alle Aussagen über einen Verbleib der Truppen rein spekulativ seien.

US-Medien berichteten zuletzt, dass der irakische Ministerpräsident Nuri al Maliki eine Stationierung der Einheiten über das Jahr 2011 befürwortet, dies aber nicht öffentlich erklärt. „Die irakische Regierung will die Unterstützung der USA, während die radikal Denkenden diese ablehnen“, sagt Sons. Ob der Einsatz vom Parlament verlängert werden muss oder von der Regierung im Alleingang entschieden werden kann, ist unsicher: „Die Zuständigkeiten über eine Entscheidung im Irak sind schlicht und einfach unklar. Aber selbst wenn die Regierung die Frage ohne das Parlament entscheidet, könnte die Koalition durchaus daran zerbrechen“, sagt Vogt.

Maliki war mit den Stimmen des schiitischen Predigers Muktada al Sadr gewählt worden. Sadr hatte jahrelang die US-Truppen mit seiner Mahdi-Armee bekämpft und drohte mit Gegenwehr, sollte sich der Abzug verzögern. Dabei spielen die US-Truppen militärisch inzwischen längst eine untergeordnete Rolle, sagt Vogt: „Die Anwesenheit der US-Truppen ist in erster Linie ein politisch-psychologisches Moment. Schon jetzt gibt es wenige amerikanische Checkpoints und keine gemeinsamen Patrouillen mehr.“

Im Irak sind derzeit noch 46 000 US-Soldaten stationiert. Nach Angaben des Pentagon beginnt der Abzug im Spätsommer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false